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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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wohl, wie
     lange zweiundachtzig Dollar für den Lebensunterhalt eines
     Privatdetektivs ausreichten? Mit einem Büro, das er bezahlen mußte.
     Mit einer Tochter, die er füttern mußte.
    *
    Nachdem ich meine Tochter gefüttert
     hatte, zog ich mich an.
    »Wo gehst du hin,
     Daddy?«
    »Weg.«
    »He, kann ich nicht mit
     dir kommen?«
    »Du hast anderes zu
     tun.«
    »Habe ich das?«
    »Du wirst unsere
     Klientin im Krankenhaus besuchen.«
    »Puh«, sagte sie.
     »Das hatte ich tatsächlich irgendwie vergessen.«
    »Ein Privatdetektiv«,
     erklärte ich ihr, »vergißt niemals etwas. Weil er sich
     alles in sein Notizbuch schreibt.«
    »Du hast gesagt, du würdest
     mir eins geben«, sagte sie. »Aber du hast es vergessen. Und
     ich wollte nicht danach fragen.«
    »Ein Privatdetektiv
     fragt immer, ob er will oder nicht«, sagte ich steif. Ich gab ihr
     ein Notizbuch und ging.
    Ich ging zum Polizeirevier.
    Nachdem ich fünfundvierzig
     Minuten gewartet hatte, konnte ich endlich mit Miller reden.
    »Das Stehaufmännchen«,
     sagte er. Und runzelte die Stirn. »Tut mir leid, daß ich es
     gestern nicht geschafft habe. Aber ich konnte nicht.«
    Ich stellte das Glas mit den
     Fingerabdrücken auf seinen Schreibtisch. »Ich würde dich
     nicht belügen«, sagte ich. »Du hast nicht sehr gefehlt.«
    »Es ist nicht gut
     gelaufen?«
    »Ich glaube, die
     Fingerabdrücke auf diesem Glas werden beweisen, daß der Bursche
     im Krankenhaus John Pighee ist.«
    »Sollte er das denn
     nicht sein?«
    »Doch.«
    Er schüttelte den Kopf.
     »Du bist wirklich verkorkst, Albert. Du siehst sogar verkorkst aus.«
    »Irgend etwas stimmt da
     nicht, Jerry«, sagte ich mit ungewöhnlichem Engagement. »Aber
     ich weiß nicht, was ich tun soll, wo ich anfangen soll.«
    »Ist es nur das Geld?«
    »Nein«, sagte
     ich. »Warum schien er gewußt zu haben, daß ihm etwas
     zustoßen würde? Warum weiß niemand, woran er gearbeitet
     hat? Warum hat es einen solchen Wirbel gegeben, daß niemand zu ihm
     durfte?«
    »Es könnte
     durchaus in Ordnung sein«, sagte er.
    Ich schüttelte nur den
     Kopf. »Und nun ist meine Klientin krank und liegt in der Klinik.
     Meine letzte Klientin meckert an meiner Rechnung herum. Und außerdem
     wollen sie mein Haus abreißen.«
    »Wahrscheinlich hast du
     nur eine Pechsträhne«, sagte Miller. »Wenn es um den Rest
     deines Lebens besser bestellt wäre, würde dich diese
     Pighee-Sache nicht so aufregen. Ist deine Freundin nicht da?«
    »Sie ist vor ein paar
     Tagen in Urlaub gefahren.«
    »Tja, nichts ist, wie
     es sein sollte auf dieser Welt.«
    Ich zuckte die Achseln. Dann
     schob ich ihm das Glas hin.
    »Was soll ich damit
     anfangen?« 
    »Die Fingerabdrücke
     nehmen.«
    »Und wo soll ich einen
     Satz von Pighees Fingerabdrücken zum Vergleich herkriegen?«
    Ich schürzte die Lippen.
     »Daran habe ich gar nicht gedacht«, sagte ich.
    »Mach mal Urlaub,
     Albert.«
    »Nein«, sagte ich
     nachdrücklich. »Laß sie durchlaufen, Jerry. Vielleicht
     hast du Pighees Abdrücke. Oder, falls sie jemand anderem gehören, hast
     du vielleicht seine. Es ist wirklich nur eine Kleinigkeit.«
    Er seufzte.
    »Das Ganze ergibt
     einfach keinen Sinn für mich«, sagte ich.
    »Muß denn die
     ganze Welt für dich einen Sinn ergeben?« fragte er scharf.
    Ich dachte eine ganze Weile
     über diese Frage nach. Dann gab ich ihm wahrheitsgemäß
     Antwort. »Ja«, sagte ich. »So ist es. Das ist es nämlich,
     was mir Antrieb gibt.«
    »Das ist der Grund,
     warum du ein Fehlschlag bist.«   
    »Ich glaube nicht, daß
     ich ein Fehlschlag bin«, sagte ich. »Ich bin einfach nur
     pleite, dumm und ein Pechvogel.«
    Miller zuckte mit den
     Schultern.    
    *
    Während ich auf den
     Aufzug wartete, dachte ich angestrengt nach, machte mir klar, daß
     ich die seltsamen Fakten dieses Falles zuerst von allen Seiten beleuchten
     mußte, ehe ich den Kopf wieder für irgend etwas anderes frei
     hatte. Man würde mich also zur Räumung zwingen; dasselbe hatte
     ich schon früher erlebt. Ich war also pleite; es gibt schlimmere
     Dinge im Leben, als aufhören zu müssen, ein Privatdetektiv zu
     sein. Ich hatte das große Glück, mir den Luxus leisten zu können,
     mich nur um mich selbst kümmern zu müssen. Entscheidungen
     betrafen nur mich allein. Ich hatte kein Geld, aber ich hatte den größten
     Luxus, den man sich nur denken konnte: die Freiheit, selbst zu
     entscheiden, wie ich zur Hölle fahren wollte und wann.
    Ich ging zum

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