Der stumme Handlungsreisende
wohl, wie
lange zweiundachtzig Dollar für den Lebensunterhalt eines
Privatdetektivs ausreichten? Mit einem Büro, das er bezahlen mußte.
Mit einer Tochter, die er füttern mußte.
*
Nachdem ich meine Tochter gefüttert
hatte, zog ich mich an.
»Wo gehst du hin,
Daddy?«
»Weg.«
»He, kann ich nicht mit
dir kommen?«
»Du hast anderes zu
tun.«
»Habe ich das?«
»Du wirst unsere
Klientin im Krankenhaus besuchen.«
»Puh«, sagte sie.
»Das hatte ich tatsächlich irgendwie vergessen.«
»Ein Privatdetektiv«,
erklärte ich ihr, »vergißt niemals etwas. Weil er sich
alles in sein Notizbuch schreibt.«
»Du hast gesagt, du würdest
mir eins geben«, sagte sie. »Aber du hast es vergessen. Und
ich wollte nicht danach fragen.«
»Ein Privatdetektiv
fragt immer, ob er will oder nicht«, sagte ich steif. Ich gab ihr
ein Notizbuch und ging.
Ich ging zum Polizeirevier.
Nachdem ich fünfundvierzig
Minuten gewartet hatte, konnte ich endlich mit Miller reden.
»Das Stehaufmännchen«,
sagte er. Und runzelte die Stirn. »Tut mir leid, daß ich es
gestern nicht geschafft habe. Aber ich konnte nicht.«
Ich stellte das Glas mit den
Fingerabdrücken auf seinen Schreibtisch. »Ich würde dich
nicht belügen«, sagte ich. »Du hast nicht sehr gefehlt.«
»Es ist nicht gut
gelaufen?«
»Ich glaube, die
Fingerabdrücke auf diesem Glas werden beweisen, daß der Bursche
im Krankenhaus John Pighee ist.«
»Sollte er das denn
nicht sein?«
»Doch.«
Er schüttelte den Kopf.
»Du bist wirklich verkorkst, Albert. Du siehst sogar verkorkst aus.«
»Irgend etwas stimmt da
nicht, Jerry«, sagte ich mit ungewöhnlichem Engagement. »Aber
ich weiß nicht, was ich tun soll, wo ich anfangen soll.«
»Ist es nur das Geld?«
»Nein«, sagte
ich. »Warum schien er gewußt zu haben, daß ihm etwas
zustoßen würde? Warum weiß niemand, woran er gearbeitet
hat? Warum hat es einen solchen Wirbel gegeben, daß niemand zu ihm
durfte?«
»Es könnte
durchaus in Ordnung sein«, sagte er.
Ich schüttelte nur den
Kopf. »Und nun ist meine Klientin krank und liegt in der Klinik.
Meine letzte Klientin meckert an meiner Rechnung herum. Und außerdem
wollen sie mein Haus abreißen.«
»Wahrscheinlich hast du
nur eine Pechsträhne«, sagte Miller. »Wenn es um den Rest
deines Lebens besser bestellt wäre, würde dich diese
Pighee-Sache nicht so aufregen. Ist deine Freundin nicht da?«
»Sie ist vor ein paar
Tagen in Urlaub gefahren.«
»Tja, nichts ist, wie
es sein sollte auf dieser Welt.«
Ich zuckte die Achseln. Dann
schob ich ihm das Glas hin.
»Was soll ich damit
anfangen?«
»Die Fingerabdrücke
nehmen.«
»Und wo soll ich einen
Satz von Pighees Fingerabdrücken zum Vergleich herkriegen?«
Ich schürzte die Lippen.
»Daran habe ich gar nicht gedacht«, sagte ich.
»Mach mal Urlaub,
Albert.«
»Nein«, sagte ich
nachdrücklich. »Laß sie durchlaufen, Jerry. Vielleicht
hast du Pighees Abdrücke. Oder, falls sie jemand anderem gehören, hast
du vielleicht seine. Es ist wirklich nur eine Kleinigkeit.«
Er seufzte.
»Das Ganze ergibt
einfach keinen Sinn für mich«, sagte ich.
»Muß denn die
ganze Welt für dich einen Sinn ergeben?« fragte er scharf.
Ich dachte eine ganze Weile
über diese Frage nach. Dann gab ich ihm wahrheitsgemäß
Antwort. »Ja«, sagte ich. »So ist es. Das ist es nämlich,
was mir Antrieb gibt.«
»Das ist der Grund,
warum du ein Fehlschlag bist.«
»Ich glaube nicht, daß
ich ein Fehlschlag bin«, sagte ich. »Ich bin einfach nur
pleite, dumm und ein Pechvogel.«
Miller zuckte mit den
Schultern.
*
Während ich auf den
Aufzug wartete, dachte ich angestrengt nach, machte mir klar, daß
ich die seltsamen Fakten dieses Falles zuerst von allen Seiten beleuchten
mußte, ehe ich den Kopf wieder für irgend etwas anderes frei
hatte. Man würde mich also zur Räumung zwingen; dasselbe hatte
ich schon früher erlebt. Ich war also pleite; es gibt schlimmere
Dinge im Leben, als aufhören zu müssen, ein Privatdetektiv zu
sein. Ich hatte das große Glück, mir den Luxus leisten zu können,
mich nur um mich selbst kümmern zu müssen. Entscheidungen
betrafen nur mich allein. Ich hatte kein Geld, aber ich hatte den größten
Luxus, den man sich nur denken konnte: die Freiheit, selbst zu
entscheiden, wie ich zur Hölle fahren wollte und wann.
Ich ging zum
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