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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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sie… 
    Und Merom, Dundree und Rush,
     die alle verhindern wollten, daß irgend jemand Pighee zu sehen
     bekam? Aus Angst, daß die Leute Fragen stellten, die dazu führen
     konnten, daß ihre geheime Arbeit nicht mehr geheim war.
    Und das war… das war
     genau das, was ich herausfinden wollte.
    Selbst wenn das bedeutete, daß
     ich größere Risiken eingehen mußte, als ich sie mir
     normalerweise gestattete. Risiken, die mich meine Lizenz kosten konnten.
     Ich lachte leise in mich hinein. So, wie die Dinge lagen, war meine Lizenz
     ohnehin nicht mehr viel wert.
    Dr. Marcia Merom stand nur
     als »Merom, M.« im Telefonbuch. Bescheidenheit, kein Zweifel.
     Ich wählte ihre Nummer. Während es klingelte, legte ich mir
     zurecht, wie ich es anstellen wollte, daß sie mich auf eine Tasse
     Tee einlud. Aber nach fünfundzwanzigmaligem Klingeln hängte ich
     ein. Schon recht: Ich hatte ohnehin keinen Durst.       
    Plan B. Ich ging zu der
     Adresse auf dem North Washington Boulevard und stellte wie erwartet fest,
     daß es sich um einen Wohnblock handelte. Aber nicht um eins dieser
     glänzenden, neuen Dinger. Es war ein Steinhaufen aus den Vierzigern,
     drei Stockwerke hoch. Gut in Schuß gehalten, mit Klimaanlagen, die
     aus den Fenstern herausragten, als seien diese von rechteckigen Parasiten
     befallen. Die von der Infektion verseuchten Fenster waren in der Überzahl.
    Ich parkte auf der anderen
     Straßenseite und beobachtete das Haus eine Weile. Und wurde mit
     einem Mangel an verdächtigen Aktivitäten belohnt; das Gebäude
     war an einem Arbeitstag weitgehend leer. Also ging ich hinein in den
     Hausflur, wo ich Marcia Meroms Apartmentnummer sowie die Klingel fand, die
     ich schließlich auch betätigte. Viermal, und das mit Gefühl.
    Nachdem weder in der
     Gegensprechanlage noch am Türöffner eine Reaktion erfolgte, befaßte
     ich mich mit dem Problem, wie ich ins Haus kommen sollte. Ich klingelte
     bei allen Apartments im ersten und zweiten Stock und wartete. Dann drückte
     ich noch einmal auf die Klingelknöpfe. Endlich kam ein Knistern aus
     der Gegensprechanlage. Eine männliche Stimme drang zu mir durch:
     »Wer ist denn da, in Dreiteufelsnamen?«
    Mit meiner eigenen
     knisternden Fistelstimme sagte ich: »Ich bün briddel
     elektrischer rumbel stringrangl dringend signalialli farumsia
     fliemickallie Angestellter.«
    Die Gegensprechanlage sagte:
     »Scheiße!« Der Türöffner summte. Ich war im
     Haus.
    Die Treppen bis zum dritten
     Stock nahm ich im Laufschritt, nur für den Fall, daß mein Gesprächspartner
     aus der Gegensprechanlage seine Tür öffnen würde, um zu
     sehen, wen er da hereingelassen hatte.
    Ich rang nach Luft. Dann drückte
     ich auf die Türklingel von 3 c. Ich erwartete keine Reaktion und
     versuchte es nur zweimal.
    Mit einigen Dietrichen und
     einem Plastiklineal machte ich mich an die Arbeit.
    Ich brauchte sieben Minuten,
     um mich davon zu überzeugen, daß Marcia Merom ein besseres
     Schloß an ihrer Tür hatte als der Durchschnitt. Die meisten
     Leute sichern ihre Türen mit Schlössern, die gut aussehen, aber
     schlecht schließen. Mit denen werde ich fertig.
    Aber nun war ich allein mit
     Plan C.
    Ich ging wieder nach draußen,
     stieg in den Wagen und fuhr um den Block herum in die Gasse hinter dem Gebäude.
     Dort blieb ich direkt hinter dem Haus stehen und stellte fest, welche
     Feuerleiter zu Marcia Meroms Wohnung hinaufführte. Der Besitz eines
     Lieferwagens ist immer ein Vorteil, wenn man versucht, mitten am
     Nachmittag in ein Apartmenthaus einzubrechen. Man sieht mehr nach einem
     Reparaturdienst aus.
    Ich nahm ein paar Werkzeuge
     und stieg langsam die Leiter hinauf. Am Notausgang von Marcia Meroms Wohnung angelangt, beschloß
     ich, das Schloß zu vergessen und sofort zu Plan C, Unterplan b,
     überzugehen. Ich schlug den Kitt von einer Glasscheibe in der Tür
     ganz ab, zog mit einer Kombizange den Rahmen heraus und löste das
     Glas aus seinem Gestell.
    Plötzlich spürte
     ich etwas hinten an meinem Bein. Ich war so überrascht, daß ich
     beinah das Glas fallen ließ.
    Es war eine grauweiße
     Katze, die sich in der Hoffnung auf eine Geschenkmaus halbherzig an meinem
     Bein rieb. Dann rieb sie sich noch an meinem anderen Bein, aber auch das
     ohne große Überzeugung.
    »Geh weg. Schhh«,
     flüsterte ich.
    Die Katze sah mich an und faßte
     ihren eigenen Beschluß. Sie ging ein halbes Dutzend Stufen hinunter
     und setzte sich neben das Geländer.

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