Der stumme Handlungsreisende
jetzt hinsetzen.«
Ich ging auf einen Stuhl zu.
»Nein! Auf die Türschwelle!«
Ich verstand sie nicht,
setzte mich aber mit dem Rücken gegen ihre Vordertür auf den Fußboden.
Und begann, über meine Geschichte nachzudenken. Aber sie lächelte
plötzlich. »Sie wissen, daß ich Sie jetzt töten könnte,
wenn ich wollte?«
Ich war überrascht,
schockiert. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
»In mein Apartment
eingebrochen«, sagte sie. »Ein großer, starker Mann
gegen eine arme, schutzlose Frau.«
»Warum um alles in der
Welt sollten Sie mich erschießen wollen?« sagte ich.
»Ich habe nicht gesagt,
daß ich das will«, sagte Marcia Merom pedantisch. »Ich
sagte, ich könnte es tun, wenn ich es wollte. Sie sind mir auf Gedeih
und Verderb ausgeliefert.« Ein diebisches Vergnügen spiegelte
sich in ihren Augen, verblaßte dann wieder.
Ich folgte dem Impuls, einen
Gegenangriff zu starten. »Ist es das, was Sie mit Lee vorhatten,
wenn er es gewesen wäre und nicht ich?«
Aber sie schien mir nicht
zuzuhören. »Gibt es irgendeinen Grund, warum ich nicht die
Polizei rufen und Sie verhaften lassen sollte?«
»Jawohl«, sagte
ich.
»Und der wäre?«
fragte sie neugierig und senkte den Revolver.
»Wollen Sie so tun, als
wüßten Sie das nicht genauso gut wie ich?« Ein
Gegengegenangriff.
Plötzlich erinnerte sie
sich an mich. Die Szene in der Loftus-Klinik. Mit und wegen John Pighee.
Sie ging nicht zum Telefon.
Ich täuschte
Sorglosigkeit vor. »Sie haben das Telefon fünfundzwanzigmal
klingeln hören. Sie haben die Klingel von unten gehört. Die
Klingel hier oben. Warum haben Sie nicht reagiert?«
»Warum sollte ich?«
»Ich bin nur
hergekommen, um mit Ihnen zu reden. Das Klingeln zeigte, daß ich
diesen Wunsch hatte.«
»Und das, was ich getan
habe«, sagte sie nachdrücklich, »zeigt, daß ich
nicht mit Ihnen reden wollte. Noch mit sonst jemand. Warum sind Sie nicht
einfach weggegangen und haben es ein andermal wieder versucht?«
»Nun, ich wohne auf der
anderen Seite der Stadt. Ich war gerade in der Gegend und dachte, ich könnte
Ihnen eine Nachricht hinterlassen.«
»Eine Nachricht?«
Sie schien nicht übermäßig schnell von Begriff zu sein.
»Ja«, sagte ich.
»Also sagte ich zu mir, eine vielbeschäftigte Wissenschaftlerin
wie Dr. Merom hat vielleicht keine Zeit, in ihrem Briefkasten nachzusehen.
Also wäre es besser, meine Nachricht irgendwo hinzulegen, wo sie sie
nicht übersehen kann. Deshalb wollte ich Ihnen einen Zettel auf den Küchentisch
legen, damit Sie ihn auch ganz bestimmt finden würden, wenn Sie
morgens Ihre Matschi-Pops essen.«
Sie hielt inne, um
nachzudenken. Und sagte dann: »Ich kann solche Witzchen überhaupt
nicht komisch finden.«
Wenigstens reagierte sie nun
auf das, was ich sagte. Statt umgekehrt. »Sie hatten den Revolver in
der Hand, weil Sie dachten, ich sei Lee. Was ist los, verstehen Sie sich
nicht mit ihm?«
»So könnte man es
ausdrücken.«
»Sie rechnen damit, daß
er mit Gewalt hier eindringt?«
»Wenn er sich etwas in
den Kopf setzt - irgend etwas -ist es sehr schwer, ihn dazu zu bewegen, zu…«
Sie verstummte. Dann fuhr sie fort: »Ich möchte nicht über
Lee reden.«
»Muß eine
ziemliche Belastung für Ihre Geschäftsbeziehungen sein, wenn Sie
solche Probleme miteinander haben«, sagte ich. »Mitglieder
einer Gang sollten sich gut verstehen. Sie sollten Zusammenarbeiten wie
eine gut geölte Maschine.«
»Was wissen Sie denn
schon vom Geschäft?« fragte sie.
Ich versuchte mich an einem
unergründlichen Gesichtsausdruck. »Ist es nicht schon genug, daß
ich weiß, daß es ein Geschäft gibt? Und eine Gang?«
»Eine Gang?«
sagte sie. So, als wäre es ein merkwürdiges Wort für das,
was vorging, was immer es auch sein mochte.
»Die Belastung wegen
der Pighee-Sache macht den Leuten langsam zu schaffen? Für Sie muß
es am schwersten sein.« Ich hielt inne, aber sie sagte nichts.
»Wenn man Ihre Beziehung zu Pighee in Betracht zieht.« Keine
Reaktion. »Wußten Sie, daß er Ihnen eine ganze Menge
Geld hinterlassen hat? Für den Fall, daß er stirbt, meine ich.
Vielleicht hätte ich Ihnen nichts davon sagen sollen, wo es Ihnen
doch so viel Spaß macht, Leute umzubringen. Sie könnten einfach
seinen Stecker rausziehen, um an das Geld zu kommen.«
»Nein… so etwas
würde ich für Geld nicht tun…
Weitere Kostenlose Bücher