Der stumme Handlungsreisende
Ich meine…«
»Nein, nein«,
sagte ich und sah mich in dem Zimmer um. »Sie scheinen mehr als
genug davon zu haben. Natürlich verdienen Arzte heutzutage auch ein
Vermögen, nicht wahr? Nein, Sie brauchen wirklich nicht noch mehr
Geld.« Ich zögerte und sagte dann: »Aber wenn Pighee nun
schon so lange aus dem Weg ist, warum mischt Seafield jetzt erst mit?«
Sie senkte den Kopf. »Lee
ist schon in Ordnung«, sagte sie.
»Ach ja?« sagte
ich. Und ich stand auf. Sie reagierte nicht. Ihre Hände lagen locker
auf dem Revolver, rührten sich jedoch nicht. Sie schien ganz
vergessen zu haben, daß sie ihn noch hatte. Im Gegensatz zu mir.
»Ich kann nicht sagen,
daß ich die Dinge so richtig verstehe«, sagte ich. »Aber
was ich Ihnen und Ihren Leuten mitteilen wollte, ist folgendes: Ich höre
nicht auf, in der Pighee-Sache
herumzustochern, bis ich verstehe, was da los ist. Und die Polizei wird
sich auch dafür interessieren.«
»Die Polizei«,
sagte sie kopfschüttelnd. »Nein.«
»Doch«, sagte
ich, aber sie schien mir nicht zuzuhören. Sie schien vielmehr den größten
Teil unseres Gesprächs mit sich selbst abzuhalten.
Dann sagte sie plötzlich:
»Warten Sie noch ein paar Tage. Warten Sie, ja? Sie… Sie
verstehen nicht, da bin ich mir sicher. Sie könnten Menschen schaden,
Dingen, Dingen, denen Sie keinen Schaden zufügen wollen würden,
da bin ich mir sicher. Geben Sie der Sache noch ein paar Tage. Bitte.«
Sie stand auf und ließ den Revolver auf ihrem Stuhl liegen. »Bitte!
Ich rufe Sie dann an, und wir können darüber reden. Haben Sie
eine Karte? Mit Ihrer Telefonnummer drauf? Ich rufe Sie an, das verspreche
ich Ihnen.«
Ich gab ihr meine Karte. Und
nachdem ich bereits mehr erreicht hatte, als ich erwartet hatte, ging ich.
Durch die Vordertür.
26
Ich wollte gerade vom ersten
Stock ins Erdgeschoß hinuntergehen, als mich eine große Hand
von hinten an der Schulter faßte.
»He!«
Die Hand ließ mich
herumwirbeln.
»Was fällt Ihnen
ein!« sagte ich.
»Genau das wollte ich
Sie fragen.« An der Hand hing ein wahrer Hüne von Mann, und
sein Händedruck war nicht von schlechten Eltern.
»Wo liegt das Problem?«
»Sie sind der Typ, der
bei mir geklingelt hat, hm?«
»Machen Sie sich nicht
lächerlich«, sagte ich sorglos.
»Oh, doch«, sagte
er. »Ich habe Sie gesehen. Durch den Türspäher. Sie haben
mich verdammt noch mal geweckt und mit mir über die Gegensprechanlage
gesprochen, und dann sind Sie nicht zu meiner Tür gekommen. Ich habe
Sie durch den Späher hindurch raufgehen sehen. Ich habe Sie auch
wieder runterkommen sehen. Und jetzt kommen Sie wieder runter. Warum
machen Sie das alles?«
Es war schwer, eine Antwort
auf diese Frage zu finden. Die Hand auf meiner Schulter ließ nicht
locker. Ich hatte eine Karte in meiner Brieftasche, auf der stand, daß
ich Vertreter für Swimmingpools war. Aber ich hatte nicht das Gefühl,
daß er daran interessiert wäre.
»Ich arbeite die ganze
Nacht«, sagte er. »Und wenn ich tagsüber geweckt werde, dann
kriege ich auch raus, warum.«
»Ich bin Privatdetektiv«,
sagte ich. »Ich habe auf eine Menge Klingeln gedrückt, weil ich
durch die Vordertür hinein wollte. Da oben wohnt jemand, über
den ich Nachforschungen anstelle, und ich mußte ins Haus kommen, um
in dessen Apartment hineinzugelangen.«
Er blickte die Treppen
hinauf, die ich gerade heruntergekommen war. »Liebesnest, was? Wer
ist es?« Er ließ meine Schulter los. »Kein Scheiß,
Mann«, sagte er finster.
»Das darf ich Ihnen
nicht sagen«, erwiderte ich lammfromm.
Er nickte.
»Nur konnte ich nicht
in das Apartment hineinkommen, als ich da oben war. Also kam ich wieder
runter und ging aus dem Haus, um mir an der Hintertür zu schaffen zu
machen.«
Er nickte immer noch. »Eine
Menge Leute hier haben ziemlich gute Schlösser an ihren Türen.
Seit damals, als dieser Bursche von einem Einbrecher umgebracht wurde. Vor
vier Jahren.«
»Ach?«
»Kein Scheiß.
Genau hier, genau in diesem Gebäude. Ein Krüppel, der in 3c
gewohnt hat. Hat sich den Hals gebrochen, als er vom Balkon herunterfiel.
Hat die Leute hier sehr nervös gemacht, wissen Sie. Viele von denen
haben sich dann bessere Schlösser gekauft, als sie vorher hatten.«
»Das kann ich verstehen«,
sagte ich.
»Die Leute hier, das
sind meistens Singles oder kinderlose Ehepaare. Sie arbeiten alle.
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