Der stumme Handlungsreisende
Fläschchen war genug Platz für mehrere Dutzend
solcher Behälter, aber er war nur halbvoll.
Marcia Merom bemerkte, daß
ich mich im Raum umsah. »Sie haben hier drin nichts zu suchen.
Verschwinden Sie. Sofort.«
»Ich will mit Ihnen
reden«, sagte ich.
»Draußen.«
Wir gingen hinaus auf den
Flur. Sie schloß die Labortür hinter sich, was zur Folge hatte,
daß wir nun im Dunkeln standen. Ein wenig verunsichert öffnete
sie die Tür wieder einen Spalt breit, so daß wir zumindest
sehen konnten, wo der andere stand.
»Es sind jetzt fast
anderthalb Tage vergangen«, sagte ich zu ihr. »Sie wollten mit
Ihren Leuten sprechen. Ich habe Ihnen meine Karte mit meiner Telefonnummer
gegeben.«
Ihre Stimme nahm etwas
Verschlagenes an. »Haben Sie denn in der Zwischenzeit nicht mit der
Polizei zu tun gehabt, Mr. Samson?«
»Oh, doch«, sagte
ich. »Ihre Leute sind zur Polizei gegangen, und die Polizei ist zu
mir gekommen. Und jetzt bin ich wieder bei Ihnen, weil einige Dinge einer
Erklärung bedürfen.«
Ich war zum Angriff übergegangen.
Sie hatte mich als ein bereits gelöstes Problem betrachtet, und plötzlich
tauchte ich wieder auf. »Wie meinen Sie das?« fragte sie.
»Warum zum Beispiel
haben Sie dafür gesorgt, daß John Pighees Herz noch sieben
Monate nach seinem Tod weiterschlägt?«
»Was -? Wie -?«
»Und nachdem Sie das
schon dermaßen ins Stottern bringt, können Sie mir auch noch
verraten, wie Sie dazu kommen, ohne einen medizinischen Abschluß als
Ärztin zu praktizieren?« Es war ein Angriffsspiel. Ich hatte
ihre Promotionsurkunde in Biochemie an ihrer Wand hängen sehen. Wenn
sie auch in Medizin einen Doktor gehabt hätte, hätte die
entsprechende Urkunde wohl daneben gehangen.
Sie öffnete den Mund,
sagte aber nichts.
»Jetzt hätte ich
gern ein paar Antworten. Ich meine, die Zeit wäre reif.«
»Ich…?«
sagte sie. Dann fügte sie mit plötzlicher Entschlossenheit
hinzu: »Hier können wir nicht reden.«
Ich schüttelte den Kopf,
aber bevor ich Worte finden konnte, die präzise und nachdrücklich
genug waren, um zu zeigen, daß ich mit meiner Geduld am Ende war, daß
ich mich nicht länger von Leuten an der Nase herumführen lassen
wollte, die mehr als ein halbes Jahr lang mit dem Kadaver von John Pighee
herumgespielt hatten, sagte sie: »Lee wird jeden Augenblick hier
sein, und wenn er Sie hier findet… Lassen Sie uns in meine Wohnung
fahren. Geben Sie mir eine Minute Zeit, nur eine Minute, damit ich die
Dinge da drinnen in Ordnung bringen kann. Dann können wir reden.«
Sie tauchte wieder im
Lagerraumlabor unter. Ich stand im Dunkeln, aber bevor ich unruhig wurde,
war sie wieder da und schloß die Tür hinter sich zu. Wir gingen
die Treppe hinunter und verließen das Haus. Am Sicherheitsgebäude
studierte sie das Dienstbuch. Seafield hatte sich noch nicht eingetragen. Sie
entspannte sich sichtbar. Unsere Wagen standen auf demselben Parkplatz.
Ich folgte ihr zu ihrem Apartmenthaus und parkte hinter ihr.
Während sie die Haustür
aufschloß, sagte sie: »Gestern nachmittag habe ich das Glas in
der Küchentür reparieren lassen.«
»Ach?«
»Aber es macht mir
Sorgen, daß nur diese Glasscheibe zwischen mir und der Außenwelt
war. Vielleicht lasse ich mir eine neue Tür machen.« Ich fragte
mich, ob ich ihr vielleicht Ray McGonigle empfehlen sollte.
Sie ging mir in ihre Wohnung
voran. Mir fiel wieder ein, daß sie vor Seafield Angst hatte, nicht
vor der Außenwelt im allgemeinen. Der Gedanke an Seafield erfüllte
mich eigentlich nicht mit Angst. Aber sie kannte ihn besser als ich.
Während sie die Tür
hinter uns schloß, setzte ich mich auf ihre Couch. Sie selbst setzte
sich auf einen dazu passenden Sessel und sagte: »Bitte sagen Sie
mir, was Sie wissen, Mr. Samson.«
»Nein«, sagte
ich. »So habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich stelle mir vielmehr
vor, daß Sie mir sagen, was zum Teufel Sie mit John Pighees Leiche
gemacht haben.«
»Vielleicht«,
sagte sie, »vielleicht hätte ich Sie gestern, als ich die
Gelegenheit dazu hatte, doch töten sollen.« Es klang spekulativ
und ohne offenkundige Boshaftigkeit. Ich ignorierte es. Dann sagte sie:
»John war bereits tot, als er in die Klinik kam. Wir haben ihn an
ein paar exzellente Maschinen gehängt, und wir haben dafür
gesorgt, daß sein Herz schlug, daß seine Lungen atmeten und
was sonst noch dazu
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