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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Fläschchen war genug Platz für mehrere Dutzend
     solcher Behälter, aber er war nur halbvoll.
    Marcia Merom bemerkte, daß
     ich mich im Raum umsah. »Sie haben hier drin nichts zu suchen.
     Verschwinden Sie. Sofort.«
    »Ich will mit Ihnen
     reden«, sagte ich.
    »Draußen.«
    Wir gingen hinaus auf den
     Flur. Sie schloß die Labortür hinter sich, was zur Folge hatte,
     daß wir nun im Dunkeln standen. Ein wenig verunsichert öffnete
     sie die Tür wieder einen Spalt breit, so daß wir zumindest
     sehen konnten, wo der andere stand.
    »Es sind jetzt fast
     anderthalb Tage vergangen«, sagte ich zu ihr. »Sie wollten mit
     Ihren Leuten sprechen. Ich habe Ihnen meine Karte mit meiner Telefonnummer
     gegeben.«
    Ihre Stimme nahm etwas
     Verschlagenes an. »Haben Sie denn in der Zwischenzeit nicht mit der
     Polizei zu tun gehabt, Mr. Samson?« 
    »Oh, doch«, sagte
     ich. »Ihre Leute sind zur Polizei gegangen, und die Polizei ist zu
     mir gekommen. Und jetzt bin ich wieder bei Ihnen, weil einige Dinge einer
     Erklärung bedürfen.«
    Ich war zum Angriff übergegangen.
     Sie hatte mich als ein bereits gelöstes Problem betrachtet, und plötzlich
     tauchte ich wieder auf. »Wie meinen Sie das?« fragte sie.
    »Warum zum Beispiel
     haben Sie dafür gesorgt, daß John Pighees Herz noch sieben
     Monate nach seinem Tod weiterschlägt?«
    »Was -? Wie -?«
    »Und nachdem Sie das
     schon dermaßen ins Stottern bringt, können Sie mir auch noch
     verraten, wie Sie dazu kommen, ohne einen medizinischen Abschluß als
     Ärztin zu praktizieren?« Es war ein Angriffsspiel. Ich hatte
     ihre Promotionsurkunde in Biochemie an ihrer Wand hängen sehen. Wenn
     sie auch in Medizin einen Doktor gehabt hätte, hätte die
     entsprechende Urkunde wohl daneben gehangen.
    Sie öffnete den Mund,
     sagte aber nichts.
    »Jetzt hätte ich
     gern ein paar Antworten. Ich meine, die Zeit wäre reif.«
    »Ich…?«
     sagte sie. Dann fügte sie mit plötzlicher Entschlossenheit
     hinzu: »Hier können wir nicht reden.«
    Ich schüttelte den Kopf,
     aber bevor ich Worte finden konnte, die präzise und nachdrücklich
     genug waren, um zu zeigen, daß ich mit meiner Geduld am Ende war, daß
     ich mich nicht länger von Leuten an der Nase herumführen lassen
     wollte, die mehr als ein halbes Jahr lang mit dem Kadaver von John Pighee
     herumgespielt hatten, sagte sie: »Lee wird jeden Augenblick hier
     sein, und wenn er Sie hier findet… Lassen Sie uns in meine Wohnung
     fahren. Geben Sie mir eine Minute Zeit, nur eine Minute, damit ich die
     Dinge da drinnen in Ordnung bringen kann. Dann können wir reden.«
    Sie tauchte wieder im
     Lagerraumlabor unter. Ich stand im Dunkeln, aber bevor ich unruhig wurde,
     war sie wieder da und schloß die Tür hinter sich zu. Wir gingen
     die Treppe hinunter und verließen das Haus. Am Sicherheitsgebäude
     studierte sie das Dienstbuch. Seafield hatte sich noch nicht eingetragen. Sie
     entspannte sich sichtbar. Unsere Wagen standen auf demselben Parkplatz.
     Ich folgte ihr zu ihrem Apartmenthaus und parkte hinter ihr.
    Während sie die Haustür
     aufschloß, sagte sie: »Gestern nachmittag habe ich das Glas in
     der Küchentür reparieren lassen.«
    »Ach?«
    »Aber es macht mir
     Sorgen, daß nur diese Glasscheibe zwischen mir und der Außenwelt
     war. Vielleicht lasse ich mir eine neue Tür machen.« Ich fragte
     mich, ob ich ihr vielleicht Ray McGonigle empfehlen sollte.
    Sie ging mir in ihre Wohnung
     voran. Mir fiel wieder ein, daß sie vor Seafield Angst hatte, nicht
     vor der Außenwelt im allgemeinen. Der Gedanke an Seafield erfüllte
     mich eigentlich nicht mit Angst. Aber sie kannte ihn besser als ich.
    Während sie die Tür
     hinter uns schloß, setzte ich mich auf ihre Couch. Sie selbst setzte
     sich auf einen dazu passenden Sessel und sagte: »Bitte sagen Sie
     mir, was Sie wissen, Mr. Samson.«
    »Nein«, sagte
     ich. »So habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich stelle mir vielmehr
     vor, daß Sie mir sagen, was zum Teufel Sie mit John Pighees Leiche
     gemacht haben.«
    »Vielleicht«,
     sagte sie, »vielleicht hätte ich Sie gestern, als ich die
     Gelegenheit dazu hatte, doch töten sollen.« Es klang spekulativ
     und ohne offenkundige Boshaftigkeit. Ich ignorierte es. Dann sagte sie:
     »John war bereits tot, als er in die Klinik kam. Wir haben ihn an
     ein paar exzellente Maschinen gehängt, und wir haben dafür
     gesorgt, daß sein Herz schlug, daß seine Lungen atmeten und
     was sonst noch dazu

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