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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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sicher sein?«
    Er sah sie ruhig an. »Weil ich es weiß.«
    »Kannst du denn deinen Lieutenant kontrollieren? Oder diese Killer, die mich umbringen wollen?«
    Mein Gott, was machte sie bloß? Wieder fiel ihr Blick auf die Schlüssel, und sie suchte nach einem Ausweg.
    Nun richtete auch er sich auf. Er lehnte sich gegen das Kopfteil. »Der Einzige, den ich kontrollieren kann, bin ich selbst. Aber ich werde nicht zulassen, dass dir was zustößt.«
    »Aber man kann mich immer noch verhaften und ins Gefängnis sperren, oder nicht? Wenn es keine anderen Verdächtigen gibt? Man hält mich für eine Mörderin, Will.«
    Er drückte sie gegen seine Brust und schlang die Arme um sie. »Jeder weiß, dass du Alvin nicht umgebracht hast.«
    »Ich habe niemand umgebracht. Auch Walter habe ich nicht umgebracht.«
    Er hielt sie fester. »Ich könnte es verstehen, wenn du es getan hättest.«

    »Hab ich aber nicht.«
    »Ich weiß.«
    Und dann wurde es still. Nur ihr Atem und das leise Summen des Getränkeautomaten vor der Tür. Er wusste Bescheid. Er wusste alles über sie, und trotzdem war er da. Das ergab alles keinen Sinn.
    Und sie wusste, dass er es ernst gemeint hatte, als er sagte, er wolle sie beschützen. Doch vielleicht war das nicht genug. Er konnte ja nicht die gesamte Polizei von Austin kontrollieren. Der Einsatz war hoch, Millionen Dollar hoch, und viel zu viele Leute würden von ihrem Tod profitieren.
    »Hör auf, dir Sorgen zu machen«, flüsterte er. Er verschränkte seine Finger mit ihren und legte ihre Hände auf seinen Schoß, über der Bettdecke. Sie drehte seine Hand um und sah sie an. Sie sah die gezackte, weißliche Narbe, die quer über seine Handfläche lief. Sie fuhr sie mit dem Finger nach, bis sie zu der anderen Narbe am Handgelenk kam.
    »Das stammt von Knochensplittern.«
    Sie blickte ihn an.
    »Es ist in Afghanistan passiert.«
    Etwas überrascht sah sie wieder auf seine Hand.
    Er räusperte sich. »Es war einer dieser komischen Tage. Die ganze Zeit war alles in Ordnung, und dann, von einer Sekunde auf die andere, brach die Hölle los. Noch ehe man überhaupt reagieren konnte. Erst nichts als Routine, und im nächsten Augenblick ein schreckliches Blutbad.«
    Sie schwieg, aber in gewisser Weise konnte sie das Gefühl nachvollziehen. Der Tag, an dem David starb,
hatte auch völlig normal begonnen, und auf einmal war nichts mehr wie zuvor.
    »Es war gegen Ende der Stationierung«, begann er. »Das war das allerschlimmste. Nur zwölf verdammte Tage bis nach Hause.«
    Er hielt inne, und sie spürte, wie er mit sich rang. Sie wartete.
    »Wir marschierten auf einem Pass in den Bergen. Ziemlich schmal, verstehst du? Im Grunde kaum mehr als ein Eselspfad, aber das war die kürzeste Strecke. Wir waren den Weg schon x-mal gegangen. Auch die Einheimischen haben ihn genutzt. Alles schien in Ordnung, und plötzlich machte es bumm.«
    »Ihr wurdet beschossen?«
    »Eine Landmine. Genauer gesagt, zwei. Die Kameraden vor mir haben das meiste abbekommen. Ich war weiter hinten im Zug und trug zusätzliches Gepäck. Trotzdem hat mich die Detonation glatt von den Füßen geholt. Ich bin durch die Luft geflogen und auf meinem Allerwertesten gelandet.«
    Er unterbrach sich erneut. Sie hielt seine Hand und fuhr mit dem Daumen über die Narbe.
    »Überall um uns war Staub, unsere Leute schrien, dass wir in Deckung gehen sollten. Es war ein Hinterhalt. Sobald ich mich aufgerappelt hatte, kroch ich hinter einen Felsen und habe zurückgeschossen. Irgendwann blickte ich nach rechts und sah Denton – ein Junge aus Mississippi, zweiundzwanzig Jahre alt. Er lag da im Dreck und blutete wie verrückt. Die Mine hatte ihm ein Bein abgerissen. Es war einfach weg. Und der arme Kerl lag einfach da, keine zehn Meter von mir entfernt.«

    Sie drückte seine Hand. »Was ist mit ihm passiert?«
    »Ich bin zu ihm hingerannt. Hab ihn gepackt und hinter einen Felsen gezerrt. Aber das war schrecklich. Das Blut floss in Strömen aus ihm. Ich habe versucht, ihm eine Aderpresse anzulegen, aber es war nicht mehr genug Bein übrig, dass ich sie hätte festmachen können. Also habe ich selbst auf die Wunde gedrückt, mit allem Material, das ich finden konnte. Verbandszeug, Stoff, egal was. Durch alles drang das Blut, aber ich habe immer weiter und weiter gepresst und meine Hand in das blutige Bündel gedrückt, um die Blutung zu stillen. Und die ganze Zeit schrie er mich an, ich soll ihn verbluten lassen, er könne nicht ohne sein Bein nach

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