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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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mir.«
    Nathan klappte die Mappe zu. Der Junge hatte recht. Wieder bereute Nathan, dass er geholfen hatte, Fionas Schwester aus der Schusslinie zu holen. Damals hatte er gedacht, er täte einer unglücklichen jungen Frau einen Gefallen. Und Fiona, die sich schon mehr als einmal für ihn zerrissen hatte. Da Alvin die Sache nicht an die große Glocke hängen wollte, hatte ihm das auch kaum Mühe bereitet.
    Er hätte wissen sollen, dass ihn sein Fehler einholen würde.
    »Du hast recht, ich hätte es dir sagen sollen«, gab Nathan zu. »Und ich verstehe auch, was du denkst. Aber ich glaube nicht, dass sie’s war.«
    Hodges’ Blick blieb auf die Fahrbahn gerichtet. »Das mag sein, aber trotzdem ist es für den Fall relevant. Falls du ihre Schwester vögelst, ist mir das egal. Nicht egal ist mir aber, wenn du mir was verheimlichst.«
    Nathan schüttelte den Kopf. »Ich vögle doch nicht mit ihrer Schwester. Verdammt, sie heiratet nächste Woche, und ich bin Trauzeuge! Du solltest lieber auf dich aufpassen, nicht auf mich. Diese Frau weiß, wie man jemand um den Finger wickelt. Außerdem ist sie labil und lügt manchmal wie gedruckt.«
    »Trotzdem glaubst du, dass sie’s nicht war?«
    »Ja«, entgegnete Nathan. »Mir ist schon klar, dass du sie dir vornehmen musst, aber verschwende nicht allzu viel Zeit darauf. Für mich steckt da mehr dahinter als ein Überfall oder eine angepisste Ex-Freundin.«

    Hodges’ Backenmuskeln zuckten, aber er schwieg. Gegen Ratschläge schien er allergisch, aber Nathan war das egal. Der Fall war wichtig, und er wollte nicht, dass etwas schiefging.
    Die Ranch Road schlängelte sich durch die Hügel westlich von Austin. Der heiße, dunstige Morgen versprach einen schweißgetränkten Tag. Und auch sie würden ihm Tribut zollen, wenn sie, dem Anlass entsprechend und um nicht aufzufallen, sich in schwarzen Anzügen unter die Trauergäste mischten.
    »Das gibt ein richtiges Stelldichein der Schönen, Reichen und Mächtigen«, bemerkte Nathan und wechselte zu einem weniger explosiven Thema. »Alvin war ein Staranwalt und Spezialist für Zivilklagen. Vor ungefähr zwei Jahren hat er einen Hundert-Millionen-Dollar-Prozess gegen eine LKW-Firma gewonnen. Und vergangenen Winter hat er ein Sechzig-Millionen-Ding gegen eine Pharmafirma durchgekriegt. Außerdem ist die Familie seiner Frau ziemlich dick im Fleischgeschäft. Ihr Spitzname ist Würstelprinzessin, und das nicht nur bei Lästermäulern.«
    Hodges verzog das Gesicht.
    »Das ist kein Witz! Sie ist millionenschwer.«
    An einer Ampel bog Hodges rechts ab – und zeigte Nathan damit, dass er keine Wegbeschreibung gebraucht hätte.
    Alvin und seine Frau gehörten der kleinen Gemeinde der Episkopalkirche in Lakeway an. Das Städtchen selbst war vor Jahren noch vor allem ein Altersruhesitz für Rentner gewesen, die gerne Golf spielten. Aber in den letzten Jahren hatte Austins Wachstum die Stadtgrenzen
gesprengt und Lakeway praktisch zu einem Vorort gemacht. Viele Häuser hier waren elegante Landhäuser mit Blick auf den Lake Travis. Alvin hatte sein Haus nach dem großen Prozess vor zwei Jahren gekauft. Momentan wurde der Wert des Anwesens auf etwa 3,5 Millionen Dollar geschätzt.
    Hodges bog in einen von weißen Kräuselmyrten gesäumten Parkplatz ein. Die Beerdigung begann erst in einer halben Stunde, aber bereits jetzt parkten dort eine Menge Autos: vor allem Lexus, BMWs und aufgemotzte SUVs. Ihr grauer Taurus würde hier auffallen. Deshalb parkte Hodges vorsichtshalber ein wenig versteckt im Schatten. Von ihrem Aussichtspunkt aus hatten sie einen ungestörten Blick auf die Menschen, die in die Kirche strömten.
    Hodges hob die Projektmappe auf, die vor Nathans Sitz am Boden lag.
    »Siehst du den Mann da drüben?«
    Hodges sah auf. »Mit dem grauen Anzug?«
    »Ja, das ist der Chef von FireBreaker Software.«
    »Diese Sicherheits-Software?«
    »Genau die«, sagte Nathan. »Und die Blonde im dunkelblauen Kostüm? Sie ist Anwältin bei Wilkers & Riley. Alvins Kanzlei.«
    Nathans Gedanken verweilten einen Augenblick bei der Anwältin. Sie machte vor jeder Geschworenenbank, auf der ein paar begeisterungsfähige Männer saßen, eine gute Figur.
    Hodges war jedoch zu sehr damit beschäftigt, die Umgebung zu sondieren, als dass er viel Zeit für ihre Figur übrighatte. Der Kerl wirkte wie ein Eisberg. Das
Einzige, worauf er bislang reagiert hatte, war die vorenthaltene Information.
    »Wer ist der Typ im Seersucker-Anzug?«, fragte er.
    Nathan folgte

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