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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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seinem Blick. »Keine Ahnung.«
    »Und der Kleine da neben der Tür?«
    »Kenne ich nicht.«
    »Und wie steht’s mit der Frau in Rot? Auf drei Uhr?«
    Nathan sah zu ihm rüber. »Was, das weißt du nicht? Das ist Alvins Ex.«
    Die Einundvierzigjährige hatte nur entfernte Ähnlichkeit mit ihrem Führerscheinfoto. Sie hatte dunkle schwarze Haare und trug ein gut geschnittenes rotes Kostüm und Schuhe mit niedrigen Absätzen. An ihr wirkte alles zurückhaltend – alles bis auf die von ihr gewählte Farbe, mit der sie anscheinend ihren Gefühlen über den Verstorbenen Ausdruck verlieh. Neben ihr schlurfte ein Jugendlicher mit khakifarbener Hose und schlecht sitzendem blauem Sakko.
    »Sie sieht nicht besonders traurig aus«, bemerkte Hodges.
    »Kann man auch kaum von ihr verlangen. Sie hat ihn sein ganzes Jurastudium über unterstützt. Und als er den Job bei Wilkers & Riley bekam, hat er sie verlassen.«
    »Wegen dieser Hot-Dog-Erbin?«
    »Nö, die kam später.«
    »Dann ist das Alvins erstes Kind?« Hodges warf einen Blick auf die Akte. »Laut Testament erbt er zehn Millionen Dollar, wenn er fünfundzwanzig wird.«
    Nathan stieß einen Pfiff aus. »Wow.«
    »Jepp.«

    Beeindruckt sah er Hodges an. »Hast du eine richterliche Vollmacht zur Testamentseinsicht bekommen?«
    »Der Testamentsvollstrecker hat es am Tag nach dem Mord bekannt gegeben. Es ist öffentlich einsehbar.«
    »Normalerweise dauert es länger, bis so eine gerichtliche Testamentseröffnung in Gang kommt«, sagte Nathan. »Scheint, dass es da jemand eilig hat, an das Geld zu kommen.«
    »Die Ex-Frau ist die Treuhänderin für das Geld des Jungen, bis er fünfundzwanzig wird.«
    Nathan dachte über diese Möglichkeit nach.
    »Wer ist das?«
    Er folgte Hodges’ Blick den Gehweg entlang. Ein schlanker Mann mit gepflegter Erscheinung und weißem Haarschopf stand in der Tür und schüttelte allen Kirchenbesuchern die Hand.
    »Das ist Jim Wilkers«, sagte Nathan. »Einer der Gründer von Alvins Kanzlei.«
    »Er sieht nicht besonders erschüttert aus.«
    »Nein. Eigentlich sieht kaum jemand so aus, als sei er in tiefer Trauer.«
    Schließlich fuhr der Leichenwagen vor. Gleich dahinter blieb eine schwarze Limousine stehen. Aus ihr stiegen erst mehrere Männer in dunklen Anzügen, hinter ihnen eine kleine Frau in einem eng anliegenden schwarzen Kleid. Hodges hatte sie am Montag kennen gelernt, als er und Webb die undankbare Aufgabe hatten, ihr den Tod ihres Mannes mitzuteilen.
    Zuletzt hüpfte ein kleines Mädchen aus dem Wagen. Sie trug ein lila Kleid und weiße Schuhe. Ihr Haar war von demselben goldenen Blond wie das ihrer Mutter,
mit dem einzigen Unterschied, dass bei ihr die Farbe echt war.
    »Bist du Mackenzie schon mal begegnet?«, fragte Nathan.
    »Nein.«
    »Soweit wir wissen, ist sie das einzige andere Kind«, sagte Nathan, während er zusah, wie sich die Vierjährige an das Bein ihrer Mutter klammerte. »Ich werde nie begreifen, warum die Reichen ihren Kindern Namen von Beratungsunternehmen geben.«
    Hodges’ Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den Seitenspiegel. Nathan blickte in den auf seiner Seite und sah die weiße Schrägheck-Limousine am anderen Ende des Parkplatzes. Genau wie der Taurus stand das Auto unter einem Baum im Schatten.
    »Kennst du die?«, erkundigte sich Hodges.
    Nathan betrachtete das Profil der Fahrerin genau. Offenbar eine Frau mit kurz geschnittenem Haar und Sonnenbrille. Sie schien es nicht sehr eilig zu haben, in die Kirche zu gehen.
    »Fehlanzeige.«
    »Kannst du das Nummernschild erkennen?«
    »Zu weit weg. Aber wir können es beim Zurückfahren prüfen.«
    Der Leichenwagen war mittlerweile offen, und sechs Männer im Alter zwischen dreißig und sechzig hoben den Sarg heraus. Nathan erkannte einen Stadtrichter, nicht aber die anderen Sargträger. Allerdings hatten die Namen in der Zeitung gestanden, und Hodges konnte die Nachrufe zur Akte geben, falls er es noch nicht getan hatte.

    Das Telefon des jüngeren Detectives klingelte. Hodges zog es aus seiner Tasche. Nathan wartete, ohne dass er einen Hauch von dem Gespräch begriff. Hodges hatte wirklich ein Talent, Dinge für sich zu behalten.
    Als das Telefonat beendet war, steckte er das Handy wieder ein. »Das war Webb.«
    »Und?«
    »Im Zilker Park ist ein Jogger über die Mordwaffe gestolpert.«
     
    Sechs Monate hatte sie keinen Tropfen Alkohol angerührt, und jetzt waren es schon drei Wodka Cranberry in fünf Tagen. Sie musste nicht wirklich aufpassen und

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