Der stumme Ruf der Nacht
Sofort.«
Will ging zu seinem Wagen und fingerte in der Hosentasche nach dem Schlüssel. Courtney klang aufgeregt. »Wo denn?«
»Beeil dich, bitte. Erst dachte ich, er ist weg, aber dann kam er wieder, und ich glaube, er -«
»Moment mal. Wer ist weg?«
»Dieser Kerl. Dieser Van, der mich überfahren wollte -«
»Was sagst du da? Wo zum Teufel bist du überhaupt?« Mit einem Satz saß er im Auto.
»In dem Donut-Laden bei mir um die Ecke.«
»Drinnen?«
»Ja. Aber ich glaube, er ist da noch irgendwo. Du musst dich beeilen. Was? Nur einen Moment! Mein Gott, nur die Ruhe!«
»Wie bitte?«
»Nicht du! Der Typ hier. Der mir sein Handy geliehen hat. Beeil dich, bitte. Ich kann das Auto beschreiben. Das Nummernschild hab ich nicht erkannt, aber vielleicht -«
»Bist du verletzt?«
»Nein, aber ich flippe gleich aus. Es ist derselbe schwarze Tahoe wie gestern Abend. Er stand bei uns in der Straße, als ich dieses Geräusch auf meiner Veranda gehört habe und -«
»Hast du die Polizei gerufen?«
»Wie? Nein. Hör zu. Ich muss jetzt auflegen. Der Typ hat Angst um sein verdammtes iPhone. He, was soll das? Da ist die Polizei.« Ihre Stimme wurde leiser, und Will hörte, dass im Hintergrund erregt diskutiert wurde. »Ich muss Schluss machen, Will. Beeil dich. Bitte.«
Sie legte auf.
Will warf sein Handy auf den leeren Beifahrersitz und gab Gas. Eine Ampel überfuhr er bei Dunkelgelb, dann raste er mehrere Kilometer auf der Interstate 35 bis zur Ausfahrt zu Courtneys Viertel. Nach ein paar Kreuzungen war auch schon der Donut-Laden in Sichtweite. Durch ein Schlagloch rumpelte er auf den Parkplatz.
Courtney stand mit verschränkten Armen vor der Tür. Will fuhr zu ihr hin, und sie riss die Beifahrertür auf.
»Endlich! Warum hast du so lange gebraucht?«
»Wo ist dieses Auto?«
»Es ist ein schwarzer Escalade.«
»Vorher war’s noch ein Tahoe.«
»Es ist ein Escalade. Ich hab es genau gesehen, als er zum zweiten Mal vorbeikam.« Sie deutete auf eine Parallelstraße des Oak Trail. »Da entlang. Ich glaube, er ist einmal um den Block gefahren. Vielleicht erwischen wir ihn.«
Will bezweifelte das. Aber er tat, was sie gewünscht hatte – auch um sie zu beruhigen.
»Du hast gesagt, er wollte dich überfahren?«
»Ja.«
»Bist du sicher, dass er es auf dich abgesehen hatte? Ist er nicht einfach zu schnell gefahren?«
Empört funkelte sie ihn an.
»He, das war nur eine Frage.«
»Hier links abbiegen. Vielleicht finden wir ihn.«
»Wenn er dich wirklich überfahren wollte, ist er jetzt bestimmt weg.«
»Ja, prima. Bau mich nur auf.«
Er warf ihr einen Blick zu. Sie hatte Sportsachen an und war durchgeschwitzt.
»Warst du schwimmen?«
Ärger sprach aus ihrem Gesicht. »Ich war beim Yoga. Kannst du nicht schneller fahren?«
Er beschleunigte den Wagen, aber sie sahen keine schwarzen Escalades oder Tahoes in der Nähe ihres Hauses.
»Leider habe ich das Nummernschild nicht erkannt«, sagte sie. »Er fuhr einfach zu schnell vorbei.«
»Und du hast ihn vom Donut-Laden aus gesehen?«
Sie suchte die Umgebung ab. »Entdeckt habe ich ihn, als ich nach Hause ging. Er stand nicht weit von meinem
Haus. Als ich ihn sah, fiel mir wieder ein, dass dasselbe Auto gestern Nacht hier geparkt hatte.«
»Bist du sicher? Ein Tahoe sieht ganz anders aus als ein Escalade.«
»Absolut sicher.«
»Konntest du den Fahrer erkennen?«
»Leider nicht.«
Will fuhr erneut um den Block. Anschließend durchkämmten sie weitere zehn Minuten die Gegend, ohne Erfolg. Schließlich bogen sie wieder in den Oak Trail ein, und er fuhr vor ihr Haus und hielt an.
»Erzähl doch mal von dem Geräusch auf der Veranda.«
Sie holte Luft. »Es war gestern Abend. Ich lag schon im Bett, als ich so ein dumpfes Geräusch gehört habe. Wie von einem Schritt.«
»Warum hast du mich nicht angerufen?«
Sie warf ihm einen Blick zu, in dem er »Warum ausgerechnet dich?« zu lesen meinte. Er ärgerte sich.
»Hast du denn überhaupt jemand angerufen?«
»Ich bin aufgestanden und habe nachgesehen, ob wer da ist. Aber da war niemand.«
Will stieß die Autotür auf und stieg aus. »Bleib im Wagen. Und verriegle die Türen.«
Schnell verschaffte er sich einen Überblick über die nähere Umgebung. Dabei veranstaltete der Nachbarshund eine wütende Bellorgie. Als Will zu ihr zurückkehrte, beugte sie sich auf die Fahrerseite des Wagens und öffnete ihm die Tür.
»Keine Hinweise auf irgendwas Ungewöhnliches.« Er setzte sich wieder auf den
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