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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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Richtung Osby fuhr. Er grübelte, er haderte mit sich selbst, aus undeutlichen Gründen. Und wie so oft, wenn er mit irgendeinem Ereignis nicht zurechtkam, entschloss er sich, einfach weiterzufahren. Er mochte dieses Fahren ohne Ziel, dieses Eingeschlossensein in der kleinen, warmen Zelle, während draußen die Landschaft vorbeizog. Am westlichen Stadtrand von Kristianstad bog er daher nicht rechts ab, auf die Reichsstraße  19 , die ihn nach Osby geführt hätte, sondern fuhr auf der 21 geradeaus, auf der neuen Schnellstraße um Hässleholm herum und weiter nach Örkelljunga. Es war schon beinahe dunkel, als er kurz vor diesem kleinen Ort die Europastraße  4 erreichte, die an diesem Abend kaum befahren war.
    Die Lichter von Örkelljunga lagen schon weit hinter Ronny, die schwarzen Schatten der Fichten huschten vorbei, und die Straße lag als finsteres Band vor ihm, als er plötzlich, fast schon neben sich, am rechten Straßenrand eine wild winkende Gestalt bemerkte. Keine Sekunde dachte er nach, trat stattdessen hart auf die Bremse, kam nach über hundert Metern zum Stehen und sah sich um: Ein Mensch stand da in der Nacht hinter ihm, wedelte mit den Armen, rannte jetzt auf den Toyota zu. Für einen Augenblick bekam Ronny es mit der Angst zu tun. Dann fasste er sich ein Herz, drückte auf den Verriegelungsknopf an der rechten Tür, legte den Rückwärtsgang ein und hielt neben dem Menschen an – mit geschlossenem Fenster. Ein blutverschmiertes Gesicht schaute durch das Glas, ein Mann gestikulierte aufgeregt. Ronny wusste im Nachhinein nicht, wo er den Mut hergenommen hatte: Aber er kurbelte das Fenster herunter.
    »Thank you«, das Gesicht gehörte zu einem stämmigen Mann in Ronnys Alter, der aus der Nase blutete. »Können Sie die Polizei anrufen, bitte, sofort«, rief der Mann mit einem schweren französischen Akzent, »sofort, vielleicht sind sie noch nicht weit.«
    »Wer ist noch nicht weit?« Ronny antwortete auf Französisch. Ein freudiges Erkennen zog über das zerschlagene Antlitz. »Merci, merci, die Leute, die mir das Auto weggenommen haben. Mais appelez la police, vite, vite! Die Polizei, schnell!«
    Ronny hatte sein Mobiltelefon schon in der Hand, wählte die 112 und hatte sofort eine hilfsbereite Stimme am Apparat. Er wusste, aus seiner Erfahrung als Reporter, was er zu tun hatte.
    »Ich brauche die Polizei. Ich bin auf der E  4 , ungefähr zehn Kilometer nördlich von Örkelljunga, Richtung Ljungby. Es hat hier offenbar einen Raubüberfall gegeben … Ja, ein Mann, er stand am Straßenrand, ein Ausländer. Er sagt, ihm sei das Auto gestohlen worden … Ja, er ist verletzt, aber nicht so schwer, glaube ich.« Dann musste Ronny seine Personaldaten angeben.
    Als das Gespräch beendet war, öffnete er den Riegel der rechten Tür und sagte zu dem blutenden Mann: »Kommen Sie herein, setzen Sie sich, die Polizei ist in zehn Minuten hier. Sie bringen einen Krankenwagen mit, für alle Fälle. Brauchen Sie ein Taschentuch? Ja, … hier … sind Sie Franzose?«
    Der Mann war Belgier, wie sich sehr schnell herausstellte. Denn kaum saß er auf dem Beifahrersitz des Toyota, als er, glücklich darüber, in diesem fernen Land Französisch sprechen zu können, seine Geschichte in einem wilden Redefluss erzählte: Er war Einkäufer eines Möbelhauses in Brüssel, sagte er, des besten am Platz, und unterwegs zu Lammhults, Swedese und Källemo, den Möbelfabriken bei Värnamo. Vor einer halben Stunde hatte er hier ein Auto am Straßenrand stehen sehen, ein altes Ding, mit aufgeklappter Motorhaube und angestellter Warnblinkanlage. Davor eine junge Frau, viel zu dünn gekleidet, die mit einer Art Taschentuch winkte.
    »Ein Idiot war ich, un triple idiot«, sagte der Mann, während er sich wieder mit dem Taschentuch unter der Nase wischte. Ronny fand ihn sehr sympathisch.
    »Ich war kaum ausgestiegen, als da zwei Kerle waren, einer vor mir, einer hinter mir. Sie sprachen kein Wort. Dann ein Schlag ins Gesicht, bumm, und das war’s.« Das Nächste, woran er sich erinnern könne, seien die Heckleuchten des eigenen Autos. »Une belle machine«, sprach er wehmütig, ein fast neuer Mercedes der E-Klasse, ein Kombi. In diesem Augenblick sahen Ronny und der Belgier, wie am fernen Ende der Straße, im Norden, das Blaulicht einer Polizeistreife und eines Krankenwagens aufflackerte. Mit jaulenden Sirenen fuhren sie, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, am Toyota vorbei, wendeten an einer Stelle, wo die Spannseile in

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