Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
Vom Netzwerk:
die Kontrolle, desto größer die Kraft des Gerüchts, desto wahrscheinlicher die geheime Absprache, desto vielfältiger die Möglichkeiten, dieses System irgendwo im eigenen Interesse zu verändern, mit allerdings wiederum unvorhersehbaren Folgen.«
    Lorenz Winkler war dabei, einen neuen Vortrag zu beginnen, den er wohl schon oft gehalten hatte.
    »Puh«, sagte Richard. Dann erzählte er ihm etwas von »The Cloud Matters« und fragte Lorenz Winkler schließlich nach Berlin. Er sei nie dort gewesen, sagte er. Aber die Leute hier verglichen Berlin immer wieder mit New York in den Siebzigern – so viele junge Menschen, so viel Kunst, so viel Aufbruch. Lorenz Winkler widersprach nicht, meinte aber, dass Berlin wohl die einzige Metropole der Welt sei, in der man noch billig leben könne.
    Dann berichtete Richard, er habe vor kurzem Besuch von einem Berliner Journalisten gehabt. Christian heiße er, Christian Meier. Er habe sich sehr für seine Firma interessiert.
    »Ich weiß, wer das ist. Bei uns ist das ein ›big shot‹«, antwortete Lorenz Winkler, »kein einfacher Journalist, sondern ein mächtiger Mann – ein bisschen verrückt, aber ziemlich erfolgreich. Er ist der Chef einer Zeitung, die in ganz Deutschland gelesen wird. Seine Zeitung ist bestimmt nicht die ›New York Times‹. Eher so etwas wie die ›New York Post‹. Aber die hat immerhin Paris Hilton berühmt gemacht.«
    Richard musste lachen: »Sie haben Sinn für Humor«, sagte er, ohne beleidigt zu wirken, »wenn Sie mich mit Paris Hilton vergleichen. Um das zu tun, muss man vielleicht aus Berlin kommen.«
    Lorenz Winkler schlug sich mit der Hand vor den Mund. Das hatte er nicht sagen wollen. »Kommen Sie«, sagte Richard Grenier und hakte sich bei ihm ein, »wir trinken noch ein Glas Wein.«

Neun
    Eine Woche lang hatte die Leiche von Visseltofta den Lokalreporter Ronny Gustavsson von »Skåneposten« beschäftigt. Jeden Tag hatte er schreiben müssen. Er hatte Bertil Cederblad angerufen und sich die Geschichte der Familie erzählen lassen, bis zurück ins achtzehnte Jahrhundert. Jetzt wusste Ronny sogar über die Nistplätze der Rohrdommeln unten am Fluss Bescheid. Er hatte den Bauern besucht, war gründlich über die verfehlte Milchpolitik der Europäischen Union aufgeklärt worden und hatte mit ihm zusammen drei Eingänge in den Dachsbau besichtigt. Auf die Frage, warum man denn den Dachsbau nicht einfach aushebe, hatte der Bauer gelacht und Ronny die Hand väterlich auf die Schulter gelegt: »Mein Lieber, das ist gar nicht so leicht. Das ist nicht nur ein Dachs. Das ist eine Familie. Vielleicht sind es auch zwei oder drei Familien. Kann sein, dass auch ein Fuchs im selben Bau lebt, das kommt vor. Und dann haben wir keine Ahnung, wie groß der Bau ist. Er ist vielleicht fünf oder sechs Meter tief und dreißig oder fünfzig Meter breit. Da kannst du lange graben.«
    Die Kriminalpolizisten in Kristianstad waren kaum vorangekommen, und die Nachrichten, die sie an die Presse gaben, waren spärlich. Der Pathologe hatte gerade mal sagen können, dass der Tod mindestens einen, aber nicht länger als zwei Tage vor dem Fund eingetreten sein musste. Dafür sprachen die Eier, die von den Schmeißfliegen in das Gewebe der Leiche gelegt worden waren. Ja, so früh im Jahr gebe es schon diese Fliegen, sie tauchten mit den ersten warmen Sonnenstrahlen auf. Und es war unwahrscheinlich geworden, dass der Tote ein Schwede gewesen war, wegen der Kleidung und der Schuhe.Und auch wegen der vielen Brücken und Kronen in seinem Gebiss. »In dieser Generation«, sagte der Pressesprecher der Kriminalpolizei den Journalisten, »ist es selten, dass jemand mit so viel Zahnersatz herumläuft, bei uns jedenfalls.« Aber nirgendwo, weder in Schweden noch in den Nachbarländern, schien ein wohlhabender Mann von etwa fünfzig Jahren zu fehlen. Es gab keine neuen Nachrichten, und die alten waren aus jedem möglichen Blickwinkel betrachtet worden. Über die Begegnung im Schnellimbiss hatte Ronny immer noch nicht gesprochen, und je mehr Tage vergingen, desto schwieriger wurde es für ihn, es noch zu tun.
    An dieser Pressekonferenz hatte Ronny nur aus Neugier teilgenommen. Sie fand schließlich in Kristianstad statt, und da gab es genug Kollegen, die sich um solche Routinesachen kümmern konnten. Aber irgendwie, auf eine unklare Weise, fühlte er sich verantwortlich für diesen Toten. Er hatte keine Frage gestellt, er war aber unzufrieden mit der Pressekonferenz, als er zurück in

Weitere Kostenlose Bücher