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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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geblieben, noch für zwei oder drei Jahre. Lange Zeit hatten sie danach keine Verbindung mehr zueinander gehabt. Als Ronny nach Osby zurückgekehrt war, hatte sie ihn ein paarmal eingeladen, zu größeren Festen wie zu Mittsommar oder zur Walpurgisnacht, dem Fest, mit dem in Schweden der Winter verabschiedet wird. Aber er hatte sich unter so vielen Menschen nicht wohl gefühlt, und er wollte nicht erklären, was aus ihm geworden war. Dann wurde er nicht mehr eingeladen, und auch das schmerzte ihn.
    Auch dieses Mal hatte die Walpurgisnacht ohne ihn stattgefunden, dachte er, als er die Reste des großen Feuers auf dem Vorplatz sah. Der weiße Kies glänzte nass und knirschte, als der alte Toyota an der Freitreppe vorfuhr. Ronny stellte ihn neben einen neuen, roten Mini Cooper mit Faltdach. Benigna Klint stand in der doppelflügeligen Tür, als er aus dem Auto stieg und nach oben blickte. Groß war sie, schlank, mit einem schmalen, ebenmäßigen Gesicht und langen, dunkelblonden, nach oben gesteckten Haaren. Sie schien von innen zu strahlen. Sie hat kein Alter, dachte Ronny. Sie wird immer so bleiben, wie sie vor dreißig Jahren gewesen war, in einem frischen weißen T-Shirt, in einer dunkelblauen Strickjacke und Jeans. Der Gedanke gab ihm einen Stich. Über der schmalen Frau erhob sich das weiße Portal des Herrenhauses, mit seinem Rundbogen und dem darin eingelassenen hellblaugoldenen Wappenschild der Familie Klint. Darüber zogen jetzt, im beginnenden Abendlicht, schnellfliegende weiße Wolken auf tiefblauem Grund. Im Hintergrund duftete frisch und feucht der Wald.

Elf
    »Ronny, es muss sich jemand um das Netz kümmern. Ich habe einen neuen Drucker gekauft, und er will nicht funktionieren.«
    »Ich wusste doch, dass die Einladung nicht gratis war.«
    »Ist es dir lieber, den Computer vor dem Essen zu richten? Oder besser nachher?«
    »Bringen wir es hinter uns.«
    In einer Viertelstunde hatte Ronny Gustavsson die Verwirrung aufgelöst. Benigna Klint saß neben ihm.
    »Sag, hast du die Leiche in Visseltofta wirklich gesehen? Jeder hier spricht von dem Mord.«
    »Selbstverständlich habe ich die Leiche gesehen. Sie sah so schlimm aus, dass du gar nicht wissen willst, wie genau.«
    Benigna war in ihren Gedanken schon weiter: »Es hat sich so viel verändert in den vergangenen Jahren, die Leute sind unruhig, und dass da ein Fremder tot in einer Scheune herumliegt, das passt in dieses Bild. Es heißt ja, er sei gut gekleidet gewesen, und trotzdem weiß keiner, wo er herkam.«
    »Was meinst du denn damit, mit Veränderung?«
    »Früher war das hier eine stille Gegend. Es gab die deutschen Touristen, im Sommer. Es wurden dann immer mehr, und später kauften sich einige von ihnen Häuser, und sie spielten Bullerby. Ich fand das immer in Ordnung.«
    »Und dann kam der Osten, nicht wahr?« Ronny klang spöttisch.
    »Genau. Seitdem haben wir überall polnische Bautrupps, legale und vor allem illegale. Und im Spätsommer ziehen organisierte Gruppen durch die Wälder, Weißrussen, Kasachen, Kambodschaner, was weiß ich, um Preiselbeeren und Pfifferlinge zu pflücken, kommerziell, und keiner weiß, wie sie hierherkommen oder wer sie bezahlt. Vor allem aber ist der Wald anders.«
    »Du klingst heute ja reichlich reaktionär.« Ronny hatte das nicht so scharf sagen wollen, wie es herauskam. Aber der Satz tat ihm auch nicht leid.
    Benigna schaute auf, ein wenig überrascht, aber ruhig, und sagte dann: »Es ist nicht meine Schuld, wie du zu deinem Geld kommst. Und ja, dass dieser Hof meiner Familie gehört, ist auch nicht mein Verdienst. Aber es ist eben so. Jedenfalls sieht der Wald völlig anders aus als noch vor vierzig Jahren.«
    Ronny nickte. Er wollte keinen Streit: »Na gut, ich habe auch das Gefühl, dass etwas anders ist.«
    »Früher war der Wald dunkel, tief, undurchdringlich, voller alter Bäume und Geheimnisse. Da gab es Trolle und Wichtel und Pilze und Beeren. Was jetzt da steht, ist Industrie, nicht Wald. Im vergangenen Frühjahr musste ich eine Million Kronen ausgeben, um die Wege neu schottern zu lassen, weil der neue Harvester immer wieder einsank. Er ist dreimal so groß wie der alte. Kleine Waldbauern können sich das gar nicht mehr leisten.«
    »Findest du das richtig?«, sagte Ronny. Benigna ließ sich nicht beirren.
    »Und dann die Makler: Hast du die Anzeigen der holländischen und der englischen Makler gesehen? Sie hängen überall, in jedem Dorf zwischen hier und Dalarna. Im Ausland gibt es Menschen, die

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