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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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saß mit leicht gebeugtem Kopf reglos da und schien den Schnee gar nicht wahrzunehmen, dabei war er dabei, sie völlig zuzudecken. Ihre Arme hingen schlaff herab, ihr Blick war stumpf und leer.
    »Debbie?«, rief Julia. »Debbie?«
    Chris gehörte nicht gerade zu den Leuten, die sich freiwillig anboten, wenn es darum ging, Verantwortung zu übernehmen. Andererseits saß der Schock tief. Er konnte nicht einfach vergessen, wie er die Kontrolle über den Wagen verloren hatte. Und so wie Debbie nun vor sich hin starrte, war definitiv etwas mit ihr nicht in Ordnung. Sie war so blass im Gesicht, als hätte ihr jemand eine dicke Schicht Clownweiß ins Gesicht geklatscht. Nur die Platzwunde an ihrer Stirn leuchtete Chris grellrot entgegen.
    Von der anderen Seite kamen ihnen Benjamin und Rose entgegen.
    »Hey, habt ihr Erfolg gehabt?«, rief er ihnen zu, doch bereits an ihrem Gesichtsausdruck erkannte Chris: Auch der Seiteneingang zum Nordflügel war verschlossen gewesen. Hatte er etwas anderes erwartet?
    Benjamin kam mit Rose näher, die mit den Schultern zuckte. »Keine Chance. Nicht mal ein Fenster, das offen stand.« Auch ihre Lippen waren blau vor Kälte und die Augen unter der weißen Strickmütze riesengroß. Jetzt erst bemerkte sie Debbie. »Was ist mit ihr?«, fragte sie erschrocken.
    Chris zuckte mit den Achseln.
    Rose beugte sich über das Mädchen. Besorgt sprach sie auf sie ein.
    »Warum brennt jetzt Licht dort drinnen?«, fragte Benjamin und wies mit dem Kinn auf die Eingangshalle, in der nun Kamin, Sesselgruppen und Flachbildschirme in das helle Licht des Kronleuchters getaucht waren. »Was treiben diese Typen von der Security denn eigentlich? Sind die blind? Können sie auf ihren Überwachungskameras nicht sehen, dass wir hier stehen?«
    Er sprang in die Höhe und wedelte mit den Armen. »Hey, hallo! Hier sind wir, ihr Hohlköpfe!«
    Julia schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Zweck, Ben«, sagte sie. Sie stand auf und suchte Chris’ Blick. »Auf keinen Fall können wir Debbie hier einfach sitzen lassen. Sie holt sich den Tod.«
    »Ich dachte immer, das sei umgekehrt«, murmelte Benjamin. »Der Tod holt Debbie. Mal ehrlich, schaut sie euch an. So wie sie aussieht, hat er ihr schon die Hand gereicht.«
    Keiner kommentierte seine Äußerung. Stattdessen wanderte Chris’ Blick wieder zur Glasfassade der Eingangshalle.
    »Hast du weitergerufen, Debbie?«, fragte er. »Und geklingelt? Oder wenigstens geklopft?«
    Sie gab keine Antwort. Ihre Augen starrten ins Leere.
    Mein Gott, dieses Mädchen war einfach nur eine Katastrophe!
    Warum hatte er nicht darauf bestanden, einen eigenen Wagen für sich und Julia zu ordern? Warum? Weil er froh gewesen war, die Leihgebühren nicht alleine zahlen zu müssen.
    »He!« Seine Fäuste trommelten laut gegen die Glastür. »Niemand hier? Wo seid ihr denn? Wollt ihr, dass wir hier draußen erfrieren?«
    »Sie zittert am ganzen Körper. Wir müssen sie warm halten«, erklärte Rose, während sie nach Debbies Koffer griff und energisch den Reißverschluss nach unten zog. Der Deckel sprang praktisch von alleine auf, so vollgestopft war der Koffer. Ein BH kam ihr entgegen. Rose wühlte dazwischen herum. »Sag mal, Debbie, dachtest du, wir fahren nach Florida? Du hast ja nicht einen einzigen warmen Pulli dabei.«
    Aber Debbie gab immer noch keine Antwort. Ihr Haar klebte wie ein Helm an Kopf und Wangen und sie starrte träge und stupide ihre Mitstudenten an.
    »Wie sind noch einmal die Symptome einer Gehirnerschütterung?«, fragte Julia besorgt. »Debbie, ist dir schlecht? Schwindelig?«
    Keine Reaktion.
    »Ist dir schlecht?«
    Debbie schüttelte den Kopf.
    Wenigstens ein Lebenszeichen.
    »Hast du weitergeklopft?«, fragte Chris noch einmal.
    Mein Gott, wieder schüttelte sie mit dem Kopf, immer wieder und hörte gar nicht mehr damit auf. »Da war niemand«, murmelte sie. »Ehrlich, da war niemand.«
    »Und warum brennt dann dort Licht?«
    »Ich habe niemanden gesehen. Ihr müsst mir glauben, ich sag die Wahrheit.«
    »Lass sie in Ruhe, Chris!«, hörte er Julia sagen. »Du siehst doch, dass sie sich aufregt!«
    »Ach ja? Ich rege mich auch auf! Wahrscheinlich ist jemand durch die Halle gegangen und sie hat es nicht einmal gemerkt, weil sie nur mit sich beschäftigt war.«
    »Nein, da war niemand!« Debbie schluchzte nun laut. Wie immer, wenn ihr etwas nicht passte.
    Chris holte tief Luft, beugte sich zu Debbie hinunter und schrie: »Kannst du mal aufhören, immer nur an dich zu

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