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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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und erfuhr, dass draußen im Gang zwei tote Menschen lagen. Eine der Wachen und der alte Mann, der immer das Essen brachte.
    »O nein«, flüsterte ich. »Bist du sicher, dass sie tot sind?«
    Ziemlich sicher.
    Nun war ich es, der zitterte. Trauer und Entsetzen überfluteten mich. Das konnte, das durfte nicht sein. Hatte ich mit meinem riskanten Experiment tatsächlich zwei Menschen umgebracht? Und ausgerechnet den Alten, den Einzigen in diesem Kerker, der freundlich zu mir gewesen war ... Das war also mein Dank!
    Draußen hörte ich aufgeregtes Stimmengewirr. Man würde die Toten wegbringen und versuchen herauszufinden, was geschehen war ... wenn ich Pech hatte, würde man Verdacht schöpfen, dass ich in die Sache verwickelt war, schließlich hatte sich das Ganze nicht weit von meiner Zelle entfernt ereignet ...
    Wegbringen.
    Mir wurde klar, dass die Schale mir vielleicht doch noch die Chance gab zu fliehen – wenn ich jetzt richtig reagierte. Wenn ich es schaffte, mich tot zu stellen. Keiner würde sich wundern, dass der eigenartige Zwischenfall nicht nur Wachen das Leben gekostet hatte, sondern auch einen Gefangenen. Wenn sie mich für tot hielten, brächten sie mich vielleicht irgendwohin, von wo aus ich entkommen könnte ... Der Tipp, den ich Mi‘raela gegeben hatte, galt fast in der gleichen Form auch für mich.
    Warum war ich eigentlich nicht früher darauf gekommen? In den Seen von Colaris hatte ich alles gelernt, was ich dafür brauchte, um mich überzeugend tot zu stellen. Um wirklich tief tauchen zu können, muss man seinen Körper auf eine Weise im Griff haben, wie andere Gilden sich das nicht vorstellen können.
    Zweifel, Bedenken rasten durch meinen Kopf. Was, wenn die Wachen den klassischen Test machten und die Oberfläche meines Auges berührten? Oder auf die Idee kamen, mir ein Messer in den Körper zu rammen? Tote schreien nicht auf und bluten nicht. Ebenso riskant war, dass ich nicht wusste, was man in der Burg mit Leichen machte. Verbrennen? Vergraben? Verfüttern? Unwillkürlich musste ich an den Herrn der Quallen denken ...
    Egal! Es war ungefähr Morgen. Bald würden sie wieder einmal kommen, um mich zum Verhör zu holen. Diesmal würde Cyprio wieder dabei sein. Und diesmal würden sie danach fragen, ob ich etwas über den Zwischenfall wüsste. Sie würden alle Zellen überprüfen und die Schale bei mir finden.
    Das Schneehörnchen blickte mich beunruhigt an. Mach dir keine Sorgen , dachte ich und bat es, Cchrando zu sagen, dass er vor dem Kerker auf mich warten solle. Und Mi‘raela, wenn sie mitkommen wollte. Sofort flitzte das kleine Tier davon.
    Sehr, sehr vorsichtig griff ich nach der Schale. Vielleicht würde sie mich sofort töten, wenn ich sie noch einmal anfasste, doch das musste ich riskieren. Mein ganzer Körper war angespannt, als meine Finger die Schale berührten.
    Es passierte gar nichts. Was auch immer in ihr lauerte, war wieder hinter der Barriere gefangen. Ich vermied es, die silbernen Stellen anzufassen, und wickelte die Schale in ein Stück Stoff, das ich von meiner Tunika riss. Vorsichtig steckte ich sie ein. Blieb nur zu hoffen, dass die Wachen mich nicht durchsuchten.
    Ich schloss die Augen und begann langsam und bewusst zu atmen, versuchte, mich in die Tiefe zu bringen. Aber ich stand noch unter Schock, meine Gedanken rasten durcheinander und mir war schwindelig vor Aufregung und Angst. Draußen wurden Befehle gebrüllt, ich hörte Schlüssel rasseln und eine Tür aufknallen. Die Zelle neben meiner wurde bereits geöffnet und durchsucht.
    Du musst es schaffen, beim Brackwasser! sagte ich mir verzweifelt. Jetzt konzentrier dich endlich! So gut es ging, drängte ich alles in den Hintergrund – die Angst und die Schuldgefühle, den Hunger und die Kälte, die Schmerzen und den harten Boden. Als mich endlich Ruhe erfüllte, wandte ich den Blick nach innen. Schlag langsamer , befahl ich meinem Herzen und fühlte, wie es immer träger in meiner Brust pochte – bald würde man von außen keinen Puls mehr fühlen. Ich atmete nur noch alle paar Minuten einmal. Mein Körper reagierte schnell darauf, rief alles Blut zum Herzen und zum Kopf, um die wichtigsten Organe am Leben zu erhalten. Ich bemerkte, dass meine Arme und Beine sich immer kühler anfühlten. Die Zeit dehnte sich ins Unendliche, kam zum Stillstand ...
    Es dauerte länger, als ich gedacht hatte, bis endlich jemand kam. Doch dann schlossen sie meine Zelle auf. Zwei oder drei Wachen kamen herein. Einer der Männer

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