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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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kickte mich grob in die Seite. »Los, aufstehen!«
    Keine Reaktion.
    Jemand tastete mich ab, suchte den Puls. »Sieht aus, als hätte es den hier auch erwischt. Wüsste verdammt gerne, was eigentlich passiert ist.«
    »Welcher ist das? Ach, der Kerl aus Vanamee. Klingenbruch! Für den haben sich ein paar Leute ganz oben interessiert. Ich gehe mal Resko Bescheid sagen.«
    Die beiden gingen wieder – und ließen die Tür offen.
    Am liebsten wäre ich einfach aufgesprungen und nach draußen gesprintet. Aber das wäre nicht gerade klug gewesen, und außerdem hätte ich es sowieso nicht geschafft. So lange wie diesmal war ich seit vielen Wintern nicht mehr unten geblieben, und mein Körper fühlte sich steif und kalt an. Ich brauchte eine Weile, um mich zurückzuholen, um meinen Lebensfunken wieder anzufachen.
    Mir blieb nur Zeit für vier, fünf schnelle Atemzüge. Dann hörte ich wieder Menschen auf meine Zelle zukommen. Fast schon brutal ließ ich mich wieder hineinfallen in die Tiefe in mir selbst, hielt die Luft an und zwang mein Herz, abzubremsen. Man kann sich tatsächlich umbringen mit so etwas, es ist die häufigste Art des Selbstmords in Vanamee.
    Schritte näherten sich, stolzierten selbstbewusst über das dreckige Stroh. Ich wusste, dass jemand auf mich herunterblickte, und lag vollkommen still. Dann kniete sich jemand neben mich, betastete meinen Körper. Widerliche feuchtkühle Spinnenfinger. Cyprio! Er wollte sich überzeugen, dass ich wirklich tot war!
    Er hielt die Finger so lange an meine Kehle, dass ich mir Sorgen machte, ob er nicht doch einen einzelnen Herzschlag bemerkt hatte. Doch dann sagte er scheinheilig: »Zu schade. Wir hatten noch eine Menge mit ihm vor.«
    Na danke , dachte ich und hoffte, er würde bald gehen. Ich war längst nicht so tief unten wie vorhin und merkte schon, dass mir die Luft knapp wurde.
    »Bringt ihn weg«, befahl Cyprio, und ich hörte, wie sich seine Schritte entfernten.
    Würden sie mich durchsuchen? Bitte, Gilia, bitte, Erin, lasst sie mich nicht durchsuchen!
    Sie taten es nicht, sondern packten mich und trugen mich aus der Zelle. Ich wurde in einen kleinen Raum im Kerker gebracht, der schrecklich roch. Eine Tür wurde zugeschlagen. Angespannt wartete ich, ob ein Riegel vorgeschoben wurde oder ein Schlüssel sich im Schloss drehte – doch nichts geschah. Sah aus, als würde mein Plan klappen!
    Ich richtete mich auf und tastete um mich; zwei andere Körper lagen neben mir und warteten darauf, zu ihrer endgültigen Ruhestätte gebracht zu werden. Vielleicht war der Alte dabei. Trauer und Schuldgefühle schnürten mir die Kehle zu. Ich beugte kurz den Kopf und murmelte das Ner‘uljipa, die Abschiedsformel meiner Gilde.
    Als ich mich leise bis zur Tür tastete, sie einen Spalt öffnete und nach draußen spähte, fühlte ich mich besser als seit Tagen. Vielleicht war ich bald frei! Auf einmal konnte ich wieder an meine Kraft glauben. Die Schmerzen, so weit es ging, ausblenden. Mit der kühlen Geduld eines Jägers auf meine Chance warten. Ich hatte genug gelitten. Jetzt war ich dran zu handeln!
    Ich sah, dass die Männer immer noch wütend und ratlos damit beschäftigt waren, die Zellen zu durchsuchen. Es waren nicht mehr ganz so viele Wachen und Farak-Alit unterwegs. Aber immer noch genug. Es gab keine Chance, ungesehen nach draußen zu kommen. Außer, ich machte den Wachen das Leben noch etwas schwerer.
    Gut, dass es so feucht war hier unten. Ich konzentrierte mich, sammelte alle Kraft, die ich noch hatte, und murmelte die uralte Formel, die Tau aus der Luft rief. Von einem Moment zum anderen erloschen sämtliche Fackeln in den Kerkern, bis es völlig dunkel war. Zum zweiten Mal an diesem Tag hallten erschrockene Rufe und Flüche durch die Gänge. Blind tappten die Wächter umher, tasteten nach den durchweichten Fackeln, versuchten vergeblich, sie wieder zu entzünden ...
    ... während ich an ihnen vorbeischlich. Einige kostbare Momente lang war ich ihnen überlegen. Ich war nicht blind. Ich war ein Sucher. Meine Sinne waren schärfer als ihre, und mein Orientierungssinn war perfekt. Selbst halb tot vor Angst, als ich in den Kerker heruntergeschleift worden war, hatte ich mir den Weg durch die Gänge eingeprägt. Ich nahm keine einzige falsche Abzweigung auf dem Weg nach draußen.
    Am Fuß der Treppe erwartete mich bereits Cchrando. Aber nicht nur er, sondern auch Mi‘raela – und Jini.
    »Ich komme mit«, sagte sie leise. »Wenn ich bleibe, wird Cyprio einen Weg

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