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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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verblassen. »Ich werde es versuchen – aber wir sollten schauen, dass wir so schnell wie möglich zum Pass kommen«, sagte ich. Nun, da das Gewitter abzog, fühlte ich mich wieder so schwach und zerschlagen wie zuvor. In meiner verletzten Hand pochte der Schmerz.
    »Wir sollten uns trennen«, schlug Merwyn vor. »Ich schleiche mich von hinten an die Kerle ran und lenke sie ab, in der Zeit könnt ihr über den Pass, wenn ihr euch beeilt.«
    Das gefiel mir überhaupt nicht – wie in aller Welt wollte er nach dieser Ablenkung entwischen? Aber er kam meinen Einwänden zuvor. »Hilft nichts«, sagte er entschlossen. »Du musst Targons Schale in Sicherheit bringen. Nichts anderes zählt.«
    Unsere Blicke kreuzten sich. Ich sah, dass er sehr wohl wusste, was er riskierte, und dass er bereit dazu war. Also nickte ich. »Besser, ich gebe dir den Skagarok mit. Zu zweit habt ihr eine bessere Chance.«
    »Ich komme auch, ich«, sagte Mi‘raela entschlossen.
    Mir wurde etwas wohler zu Mute. Wenn es wirklich nur ein kleiner Trupp war, der uns auflauerte, konnte der Plan gelingen. Gegen einen Katzenmenschen zu kämpfen, war selbst für einen Farak-Alit kein Spaß, vielleicht konnte Mi‘raela Merwyns Rückzug decken.
    Wir stolperten weiter. Kurz darauf bog Merwyn ab und begann den Anstieg zu dem Platz, an dem sich vermutlich die Soldaten versteckten. Vorsichtig näherten ich, Joelle und Ynea uns dem Pass. Er bestand aus einem breiten Pfad, an dessen linker Seite ein Abgrund lauerte und der zwischen zwei Gipfeln hindurchführte. Ich blickte zum Himmel. Es regnete wieder etwas, aber von einem Sturm war das ziemlich weit entfernt ...
    * * *
     
    Den ersten Teil des Weges ging Mi‘raela auf allen vier Pfoten, doch als sie sich den Soldaten näherten, warfen sie und Lilienmann sich auf den Bauch und krochen nur noch ganz langsam und vorsichtig voran. Mi‘raela fühlte in sich die Jägerin erwachen. Dies hier war genauso, wie einem Nachtwissler aufzulauern – anschleichen, geduldig warten, dann springen. Ihre Schwanzspitze zuckte vor Aufregung, und sie meinte, salziges Blut auf der Zunge schmecken zu können.
    Sofort war sie entsetzt über sich selbst. Allein der Gedanke, einen ihr unbekannten Vollmenschen zu beißen, war abstoßend. Menschen hatten ihr vieles angetan, trotzdem verspürte sie keinen Hass ihnen gegenüber. Es waren nur wenige Menschen, die sie gequält hatten, nur sie waren Feinde.
    So wie Lilienmann es geplant hatte, kamen sie zwei Baumlängen hinter den Soldaten heraus. Einen Moment lang beobachteten sie die Männer, die still und geduldig hinter einem Vorsprung kauerten und den Pfad keinen Moment aus den Augen ließen. Gut, dass der große Vogel sie gesehen hatte.
    Von hier aus konnte man auch sehen, dass sich hinter dem Pass viele Brüder und Schwestern versammelt hatten. Der Anblick wärmte Mi‘raelas Herz. Sie kamen aus der Freiheit, der Freiheit, die bald auch ihr gehörte!
    Lilienmann hob einen großen Stein auf und grinste. »Kannst du werfen, Mi‘raela? Ich schlage vor, wir machen ihnen mit ein paar ordentlichen Brocken das Leben schwer.«
    Mi‘raela nickte und griff sich ebenfalls ein paar Steine. In der Burg konnte man nicht viel werfen, da war kein Platz, aber sie hatte schon als Kätzchen gelernt, ihre Pfotenhände so zu gebrauchen wie ein Vollmensch.
    »Wenn ich ›Jetzt‹ sage, legen wir los«, flüsterte Lilienmann.
    Als er das Signal gab, richtete sich Mi‘raela auf die Hinterpfoten auf und begann zu werfen. Sie zielte mit ihren Steinen auf Köpfe und Oberkörper der Soldaten und wurde schnell durch Flüche und überraschte Schmerzensschreie belohnt. Sie und Lilienmann schafften es, zehn Hände voller Brocken zu schleudern, dann rannten die Soldaten wütend hinter ihnen her.
    Mi‘raela und Lilienmann hetzten in Richtung Pass los, so schnell ihre Beine sie trugen.
    * * *
     
    Ich traute meinen Augen kaum. Jenseits des Passes hatte sich eine Armee versammelt, eine Armee aus Halbmenschen. Ich sah die geschmeidigen Körper der Iltismenschen, hörte das kampfbereite Jaulen der Katzenmenschen, und über dem Pass schwebten mindestens zwei Dutzend Storchenmenschen in der Luft und beobachteten alles, was geschah. So elend ich mich auch fühlte, in diesem Moment wurde mir ganz warm ums Herz. Meine Freunde waren hier! Sie hatten davon gehört, dass ich kam, und warteten auf mich. Sobald wir über den Pass hinweg waren, würden wir bei ihnen in Sicherheit sein. Ich ahnte, warum sie nicht näher kommen

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