Der Sucher (German Edition)
noch wenige Atemzüge Zeit. Ihre scharfen Ohren fingen schon Schritte im Gang auf.
Spinnenfingers Leute!
* * *
Auf dem Weg nach Roar kamen wir an unserem ersten Phönixbaum vorbei, einem einzelnen Exemplar, das mitten im Nichts wuchs. Es war kein Baum von der Sorte, unter den man sich in den Schatten setzen kann, um Rast zu machen. Das Ding sah grauenhaft aus, wie ein verkrümmtes schwarzes Skelett, auf dem spitze, längliche Blätter wuchsen. Meine Neugier war stärker als meine Müdigkeit, und ich näherte mich ihm, so weit ich mich traute. Immerhin roch der Baum besser, als er aussah – er sonderte einen würzig-aromatischen Duft ab.
Merwyn grinste hämisch. »Mach nur, Tjeri, geh noch weiter ran. Wir werden dafür sorgen, dass deine gegrillten Überreste würdig bestattet werden.«
»Danke für deine rührende Besorgnis«, sagte ich und beobachtete eine kleine Echse, die auf der Rinde hockte und mich aus misstrauischen Knopfaugen anblickte. »Ich glaube, soweit ist der Baum noch nicht. Sonst würde das Kerlchen da nicht so ruhig dasitzen.«
Joelle schwieg dazu. Sie wirkte verlegen und still. Wahrscheinlich war ihr immer noch peinlich, was heute Früh geschehen war.
Kurz darauf wollten wir uns in einer Felsnische ausruhen – und stellten fest, dass dort schon jemand war. Ein Reptil, das ausgestreckt im einzigen Schatten weit und breit lag und aussah wie eine große, schwarze Wurst mit Beinen. Ich war begeistert. »Das ist ein Tass! Es sieht tatsächlich so aus wie meine Statue! Udiko hat mir erzählt, dass die Kinder hier sich einen Zeitvertreib daraus machen, mit ihnen zu spielen ...«
»Was machen sie denn mit denen?« Bevor ich ihn daran hindern konnte, ging Merwyn auf das Tass zu und stieß es mit der Fußspitze an.
Das Tass hob den Kopf, blickte uns ungnädig an – und blies uns eine Flammenwolke entgegen. Erschrocken stolperten wir rückwärts und ergriffen die Flucht. »Wie war das mit den gegrillten Resten?«, keuchte ich. »Nächstes Mal lässt du mich besser ausreden. Bei den Spielen kommt es darauf an, ein Tass zu berühren, ohne Verbrennungen abzukriegen.«
Als wir am späten Nachmittag in Roar eintrafen – einer Siedlung von etwa fünfzig Hütten –, wurde uns klar, dass die Feuer-Leute schon Nachricht über uns bekommen hatten. Dutzende von schwarz gekleideten Menschen standen mit verschränkten Armen vor ihren pyramidenförmigen Metallhäusern und beobachteten uns. In einem Kreuzfeuer aus bösen Blicken hinkte ich auf den erstbesten Dorfbewohner zu, einen alten Mann. »Friede den Gilden. Wo finden wir Fyona Nell?«
Mit dem Kinn deutete er in eine Richtung. Und als wir eine ganze Weile weitergegangen waren, sahen wir, dass die Wüste vor uns von eigenartigen hellen Flecken bedeckt war, so weit das Auge reichte. Erst, als Merwyn auf einen davon trat und bis zum Schienbein einsank, wurde mir klar, dass jeder davon eine Tau-Falle war. Eine leicht trichterförmige Grube, die ein durchscheinendes Gewebe bedeckte. Auf der Unterseite hingen ein paar Tropfen – Feuchtigkeit, die aus der Erde aufgestiegen war und sich an dem Gewebe niedergeschlagen hatte. Die Tropfen rannen zu einem Becher, der in der Mitte der Grube stand, und sammelten sich darin.
»Gilias Gnade, das bringt doch höchstens einen halben Becher pro Tag«, staunte Joelle.
Sehnsüchtig dachte ich an die endlosen glitzernden Seen von Vanamee. »Ja, aber wenn man Hunderte solcher Fallen hat, kommt ganz schön was zusammen. Wahrscheinlich versorgt Fyona die ganze Gegend östlich von hier. Kein Wunder, dass sie so viel Einfluss zu haben scheint.«
Merwyn zog den Fuß aus der Falle und wollte einfach weitergehen, aber die Feuer-Leute zogen die Schwerter. Mit einem Fluch kehrte Merwyn um und machte sich daran, die Falle zu reparieren.
Nur durch Zufall bemerkte ich den finsteren Blick, den Joelle den Feuer-Leuten zuwarf. O je. Sofort musste ich wieder daran denken, wie sie heute Morgen durchgedreht hatte. Es musste etwas mit dieser Gildenfehde zu tun haben, die der Rat erwähnt hatte. Mein erster Gedanke war, dass sie dabei vielleicht geschändet worden war. Aber so etwas tat die Feuer-Gilde nicht, das hatte irgendwas mit ihrer Ehre oder so zu tun. Dafür ließ es sich, soweit ich gehört hatte, ganz gut mit ihrer Ehre vereinbaren, Leute mit dem Schwert in kleine Stücke zu hacken. Vielleicht hatte einer von Joelles Verwandten dran glauben müssen.
Die Sonne stand niedrig über dem Horizont, als wir eine Art großen, braunen
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