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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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denen ich nach den Moskitos geschlagen hatte. Es hätte für einen Beobachter sicher seltsam ausgesehen, als ich versuchte, sie in umgekehrter Reihenfolge nachzuvollziehen. Dann drehte ich mich so präzise wie möglich in die Richtung zurück, aus der ich gekommen war, und überprüfte es am Sonnenstand. Wo war ich zur Seite geschwenkt? Half nichts, ich musste es grob abschätzen.
    Noch immer war der Pfad nicht in Sicht. Verzweifelt versuchte ich, nachzudenken und gleichzeitig den Boden gefroren zu halten. Dann korrigierte ich meine Gehrichtung noch mal um ein paar Grad.
    Diesmal stieß ich fast sofort auf den Weg. Ich hatte mich nur wenige Armlängen davon entfernt befunden, ihn aber nicht sehen können. Als meine Füße den trockenen Sand berührten, dankte ich dem Geist der Seen für die Disziplin, die ich bei Udiko gelernt hatte. Hätte ich mich in der ersten Schrecksekunde suchend um die eigene Achse gedreht, hätte ich den Weg nie rechtzeitig wiedergefunden und wäre im Grasmeer umgekommen. So aber kehrte ich lebendig – wenn auch durchgeschwitzt – ins Lager zurück. Olibas erstaunte Ausrufe darüber, wie gut ich mich unsichtbar machen konnte, quittierte ich mit einem verkrampften Grinsen. Merwyns forschendem Blick wich ich aus. Ich wollte nicht unbedingt erzählen, wie unvorsichtig ich gewesen war.
    »Hier sind die Fragen, die du deinem Vater stellen sollst«, sagte ich zu Olibas. »Gibt es im Tempel Zeremonien, die nicht ganz ungefährlich sind? Ist dabei in irgendeiner Form Wasser im Spiel? Und hat er bei seinen Besuchen in den Tempeln in den letzten vier Wintern ein blondes, molliges Mädchen gesehen, das dort nicht hinzugehören schien?«
    Verdutzt blickte Olibas mich an. »Das sind ja komische Fragen. Aber Wette ist Wette. Wenn ihr morgen Abend wieder herkommt, kriegt ihr die Antworten.«
    Als wir in unserem Zelt eintrafen, war Merwyn in düsterer Stimmung. Auf einmal wandte er sich an mich und Joelle. »Erzählt ihr mir jetzt bitte mal, was hier gespielt wird? Diese Fragen hast du ihm nicht zum Spaß gestellt, Tjeri!«
    Ich schaute Joelle an. Joelle schaute mich an. Dann erzählte sie Merwyn von Ynea.
    Einen Moment lang spiegelten sich widerstreitende Gefühle auf Merwyns Gesicht. Dann lächelte er mühsam und meinte: »Ich drücke euch die Daumen. Sagt Bescheid, wenn ich helfen kann. Aber ich glaube, Tjeri bekommt das schon hin.«
    Hatte ich richtig gehört? Ich war so überrascht, dass ich keine Antwort herausbekam.
    »Na, unsichtbar machen kann er sich jedenfalls gut«, meinte Joelle heiter.
    »Ja, und er hat Einiges riskiert dabei«, fügte Merwyn hinzu. Unsere Blicke trafen sich, und ich sah, dass er als Sucher sich denken konnte, was vorhin im Grasmeer geschehen war. Joelle aber verstand nicht, was wir meinten, und schaute fragend drein.
    An diesem Abend kreuzte Olibas nicht am vereinbarten Treffpunkt auf. Aber er hatte es geschafft, mir eine Nachricht zu schicken.
Tut mir Leid, dass ich nicht mehr mit euch reden kann. Aber mein Vater hat Verdacht geschöpft. Immerhin hat er eine der Fragen beantwortet: Ja, es gibt gefährliche Zeremonien. Das mit dem Wasser wollte er nicht sagen und bei der Frage nach dem Mädchen ist er wütend geworden und hat mich gefragt, wer mir die Fragen diktiert hat. Noch mal Entschuldigung!
    Der arme Olibas. Ich hoffte, ihn nicht in allzu üble Schwierigkeiten gebracht zu haben.
    »Du vermutest also, dass Ynea für irgendeine Zeremonie entführt worden ist, für die sie keine eigenen Leute riskieren wollten«, sagte Joelle zu mir, nachdem sie den Zettel gelesen hatte.
    »Ja – aber das ist nur eine erste Vermutung«, sagte ich. »Mir ist noch nicht klar, welche Rolle der reiche Händler gespielt haben könnte, der den Totenpriester begleitet hat. Vielleicht hat er die Söldner bezahlt. Aber warum?«
    Joelle wirkte entschlossen. »Ich schlage vor, wir werfen einen genaueren Blick in einen dieser Tempel. Am besten, ohne dabei erwischt zu werden.« Es schien ihr gut zu tun, die Suche selbst vorantreiben zu können, nicht mehr so hilflos zu sein.
    »Und wir sollten uns noch heute Nacht von dieser Karawane verabschieden«, ächzte Merwyn. »Wenn Olibas‘ Vater kein Idiot ist, wird er darauf kommen, von wem diese Fragen stammen könnten.«
    Ausgerechnet in dieser Nacht, als wir uns zum Aufbruch rüsteten, erreichte mich endlich eine Nachricht von Joelles Mutter. Nachdem ich sie gelesen hatte, rasten meine Gedanken. Ich war so durcheinander, dass Joelle mich zweimal daran

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