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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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lange, bis uns die Erschöpfung zu einem der Stoffzelte trieb, welche die Händler errichtet hatten. Instinktiv suchten wir uns Schlafplätze nebeneinander, aber mit dem Abend kehrte die Verlegenheit wieder. Joelle warf mir seltsam verstohlene Blicke zu, und ich traute mich nicht mal mehr, vor ihr meine Tunika auszuziehen. Verkrampft saßen wir uns auf unseren Schlafmatten gegenüber.
    »War ein guter Tag heute«, meinte sie.
    »Ja, gut«, pflichtete ich ihr bei. »Ein bisschen heiß vielleicht.«
    »Wird sicher noch kühler, wenn wir ins Grasmeer kommen.«
    »Ja, bestimmt.«
    »Ganz sicher.«
    Merwyn hatte sich schon in seine Decken gerollt. »Das ist eine selten dämliche Unterhaltung«, beschwerte er sich. »Könnt ihr die bitte morgen fortsetzen? Ich will schlafen!«
    »Bei deinem Geschnarche kann doch sowieso keiner ein Auge zutun«, schoss ich zurück, packte mein Bettzeug und marschierte nach draußen, um mir irgendwo unter den Sternen einen anderen Schlafplatz zu suchen.
    Wir riefen jeden Morgen so viel Tau für die Händler, wie wir schafften. Trotzdem gingen uns die Händler aus dem Weg und richteten kaum jemals das Wort an uns. Ich verstand sie – in den letzten Wintern war es nicht selten vorgekommen, dass ein falsches Wort eine blutige Gildenfehde ausgelöst hatte. Doch ich wollte unbedingt bei meiner Suche nach Joelles Schwester weiterkommen, und der Schlüssel dazu war die Luft-Gilde.
    Also schlenderte ich am nächsten Abend allein bei den Dhatlas vorbei, die nachts mit dicken Eisenketten angepflockt wurden. Dort arbeitete auch ein Lehrling in unserem Alter, der Joelle, Merwyn und mich schon ein paar Mal neugierig gemustert hatte.
    »Darf ich sie mal streicheln?«, fragte ich und beäugte die riesigen Reptilien, die zufrieden rülpsend mit einem Berg Pflanzenkost beschäftigt waren.
    Der junge Pfleger war gerade dabei, einem seiner Schützlinge die Grabkrallen einzuölen und zu polieren. Damit war er gut beschäftigt, denn die Dinger waren so lang wie mein Unterarm. »Äh, ja«, sagte der Junge verdutzt. »Sie mögen es, wenn man sie in der Kehlfurche krault. Das ist die einzige Stelle ihres Körpers, die nicht gepanzert ist. Aber erschreck sie bloß nicht, sonst graben sie sich blitzschnell ein!«
    Am liebsten hätte ich absichtlich einmal laut »Buh!« gerufen, aber ich wollte die Dhatlas weder beim Abendessen stören, noch es mir mit dem Pfleger verderben. Vorsichtig kraulte ich eins der Dhatlas und wurde durch den Stups einer hornigen Schnauze und ein wohliges Grunzen belohnt.
    »He, die mögen dich! Normalerweise beachten sie Fremde gar nicht«, meinte der junge Pfleger erstaunt. Wie sich herausstellte, hieß er Olibas und war siebzehn Winter alt. Er war zum dritten Mal bei einer Karawane dabei – diesmal mit seinem Vater, einem erfahrenen Händler, der jeden Winter weite Strecken reiste.
    Nach und nach brachte ich das Gespräch auf die Eigenheiten unserer Gilden. Schließlich wagte ich die Frage: »Hat eigentlich jede Luft-Gilden-Siedlung einen eigenen Tempel?«
    »Nein, nur die größeren«, antwortete Olibas, zugleich vorsichtig und geschmeichelt von meinem Interesse. »Manche stehen auch an unbesiedelten Orten, die für uns besondere Bedeutung haben.«
    »Auch in anderen Provinzen? Aber dann könnten sie ja in Fehden verwickelt werden. Kommt es manchmal vor, dass Priester sich an so was beteiligen?«
    »Ja, natürlich, das bringt Glück!«
    Soweit ich wusste, brachten Fehden nicht mal dem Sieger Glück, sondern nur Kummer und Elend. Aber ich schaffte es, mir meine Gedanken nicht anmerken zu lassen. »Es wäre so toll, wenn ich mal einen Tempel der Luft-Gilde besichtigen könnte – das habe ich mir immer schon mal gewünscht«, behauptete ich.
    Olibas sah so entsetzt aus, als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen. »Vergiss es«, sagte er. »Nicht mal ich durfte bis jetzt in einen der Tempel. Dafür muss man einen Meistergrad haben!«
    »Also dein Vater darf ...«
    »Allerdings. In jedem Ort, wo ein Tempel ist, ruft er dort den Nordwind an.«
    Hm. Das hieß, dass ich irgendwie versuchen musste, an seinen Vater – einen Meister zweiten Grades – heranzukommen. Doch der war, wie ich tags darauf feststellte, ein strenger älterer Herr, dem man den Hass auf andere Gilden schon von Weitem anmerkte.
    Zum Glück hatte ich, als ich Olibas am nächsten Abend mit Joelle und Merwyn zusammen besuchte, eine Idee. »Stimmt es eigentlich, dass ihr Wolken formen und den Wind rufen könnt?«, fragte

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