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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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»Ein Diener hat mir erzählt, dass er den anderen Diener hat sagen hören, er hätte von Spinnenfinger Geld bekommen, Geld«, quakte der Krötenmensch. »Damit er behauptet, Nachtmädchen hätte dies und jenes gesagt!«
    Aufgeregt sprang Mi‘raela von ihrem Sitzplatz auf den Boden. Wenn das stimmte, konnten sie vielleicht beweisen, dass Jini unschuldig war! »Wie heißt der Diener, wie?«
    »Er hat noch keinen Namen von uns, die Dörflinge nennen ihn Tombo.«
    Jetzt mussten sie schnell handeln. Cchrnoyo rief ein halbes Dutzend seiner Iltisse zusammen, dann machten sie sich auf den Weg zu Tombo.
    Mi‘raela begleitete sie zwar, doch sie wusste, dass sie sich dem Diener nicht zeigen durfte. Bisher hatte Spinnenfinger keinen Verdacht geschöpft, dass sie es war, die seine Pläne verriet, aber der geringste Anhaltspunkt könnte ihn darauf bringen.
    Als Tombo die Iltismenschen vor sich sah – sechsmal geschmeidige Bewegungen und lange Eckzähne –, war er wie erhofft beeindruckt. Allerdings nicht so sehr, wie sie es sich gewünscht hatten. »Was wollt ihr Pack?«, fragte er verächtlich.
    »Die Wahrheit, die Wahrheit!«, sagten die Iltisse im Chor. Sie hatten die Worte in Daresi eigens geübt, um sich nicht mit einem üblen Akzent zu blamieren. Gespannt kauerte Mi‘raela hinter einer Säule und beobachtete das Geschehen.
    »Was verstehen Tiere wie ihr schon von Wahrheit?«, höhnte Tombo, und Mi‘raela begann, über einen geeigneten Namen für ihn nachzudenken. Vielleicht einen, der sich auf seine vorstehenden Zähne bezog oder seine Eigenheit, beim Sprechen kleine Spuckebläschen von sich zu geben.
    »Cchreine Menge«, knurrte Cchrnoyo. »Du musst vor derrr Regentin bezeugen, was du gehörrt hast.«
    »Muss ich gar nicht. Das ist mir viel zu riskant.«
    Immerhin, der Dörfling wusste sofort, wovon sie sprachen. Aber es sah nicht so aus, als würden sie ihn überzeugen können! Ihm war klar, dass sie ihn hier in der Burg nicht beißen konnten, und mit gutem Zureden schien nichts zu machen.
    Mi‘raela hatte eine Idee. Sie gab Cchrnoyo ein Signal und zog sich mit ihm außer Hörweite zurück. Schnell erzählte sie ihm, was ihr eingefallen war, und er grinste. Dann tappte er zurück zu dem Diener.
    »Wenn du ess nicht tust, trrifft dich ein Fluch«, warnte er Tombo. »Ein Fluch, der dafür ssorgt, dass dirrr am ganzen Körrper Haare wacchsen!«
    Tombo zog eine verächtliche Grimasse. »Wer‘s glaubt ...«
    »Frrag doch einfacch den Mann in derr Bibliothek, den ihr Couderr nennt«, erwiderte Cchrnoyo freundlich. »Er hat gewagt, unss zu trotzen. Lass dir mal sseine Arme zeigen, seine Arrme!«
    Mi‘raela huschte davon, um Großer Büchermann Bescheid zu geben. Sie hatte Glück – er amüsierte sich prächtig über ihre Idee und versprach, mitzumachen.
    Schon einen halben Tag später stand Tombo im kleinen Saal vor der Regentin und erzählte – eingeschüchtert von Großfrau und mit ängstlichen Seitenblicken auf Spinnenfinger –, was er gehört hatte. Am selben Tag ließ Großfrau Jini zu sich rufen.
    »Sie hat gesagt, dass sie mir jetzt das mit der Verschwörung glaubt«, berichtete Jini später glücklich. »Richtig nett war sie zu mir, ich glaube, die ganze Sache tat ihr ziemlich Leid. Allerdings hat sie gemeint, dass sie die Nachfolge jetzt doch erst in einem Monat verkünden kann, weil irgendeine Frist verstrichen ist oder so.«
    Mi‘raela nickte und sackte erleichtert in sich zusammen. Heute Nacht würde sie sich ein gründliches Ausruhen auf den Warmluftschächten gönnen. Das hatte sie sich verdient.
    * * *
     
    Konnte sein, dass wir gleich handeln mussten – und zwar schnell. Nur dann hatten wir eine Chance, aus dem Tempel zu entkommen. Hastig raffte ich unsere Sachen zusammen, stopfte das Nötigste und alles, was uns als Wasser-Leute verraten könnte, in unsere Reisebündel. Dann schloss ich sehr, sehr behutsam die Tür.
    Keinen Moment zu früh. Merwyn hustete los. Es war laut. Viel zu laut. Das war den Eingeweihten im Saal garantiert nicht entgangen.
    »Raus hier!«, zischte ich den andern zu, riss die Tür auf und rannte los. Vorbei an acht verdutzten, dunklen Gestalten. Bis sie auf die Idee kamen, nach uns zu greifen, sich uns in den Weg zu stellen, waren ich und Joelle schon an ihnen vorbei. Doch dann hörte ich Merwyn schreien – es klang, als hätten sie ihn erwischt!
    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich noch einen Moment weiterrannte, bevor die Schuldgefühle siegten und ich umdrehte.

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