Der Sucher (German Edition)
die einmal mehr wie gewöhnliche Kiesel aussahen, wieder zusammen und steckte sie in den Lederbeutel zurück. Er beulte sich aus wie eine prall mit Goldstücken gefüllte Börse.
»Jetzt sieht‘s nicht mehr aus wie etwas, das einen Dieb neugierig machen könnte«, sagte ich. »Kompliment, das ist wirklich der einzige Schatz, den man auch als Waffe benutzen kann.«
Ausnahmsweise nahm mir Merwyn das Gefrotzel nicht übel. Ich wusste, warum. Wir waren beide Menschen, die das Staunen noch nicht verlernt hatten – das verbindet.
Kowanda liegt am Rande des Grasmeeres versteckt, ziemlich genau an der Stelle, an der drei Provinzen sich treffen – Alaak, Nerada und Tassos. Als wir spät am Abend dort ankamen, stellten wir sofort fest, dass wir es nicht mit einem gewöhnlichen Ort zu tun hatten. Eine massige, aus braunen Ziegeln geformte und mit Metallstacheln gespickte Mauer umgab die gesamte Siedlung. Wir kundschafteten aus, dass es vier bewachte Tore gab, an denen eintreffende Händler eingelassen wurden. All diese Sicherheitsmaßnahmen machten mich neugierig. Was hatten die Bewohner von Kowanda zu verbergen oder zu beschützen? Udiko hatte mir nur den Rat gegeben, einen Bogen um den Ort zu machen, sonst hatte er mir nichts darüber erzählt.
Mit gerunzelter Stirn musterte Joelle die Stadtmauer. »Wollen wir nicht lieber weiterreisen zu einer Stadt, die gastfreundlicher aussieht ...?«
»Nein«, widersprach ich sofort und bekam Herzklopfen bei dem Gedanken, dass ich hinter diesen Mauern wahrscheinlich die magische silberne Schale finden würde. »Ich habe in Kowanda etwas zu erledigen. Wenn ihr nicht mitkommen wollt, auch gut, dann trennen wir uns eben, und treffen uns später wieder.«
Das fanden beide nach all dem, was wir schon zusammen erlebt hatten, eine ausgesprochen blöde Idee. Also marschierten wir gemeinsam zu einem der Tore. Neugierig beobachteten mich Joelle und Merwyn, als ich zu den Wachen sagte: »Ich möchte mit Terryl sprechen, ich habe Neuigkeiten von seiner Cousine aus Ekaterin.«
Die Wachen glotzten mich an wie einen dreiköpfigen Salamander. Ich musste dreißigmal zehn Atemzüge auf sie einreden, bis sie zustimmten, Terryl wenigstens Bescheid zu sagen. Nach langer Wartezeit erschien eine der Wachen wieder und meinte etwas freundlicher: »Er hat angeordnet, euch zu ihm zu bringen.« Statt uns einfach einzulassen, eskortierten er und sein Kumpan uns durch den Ort.
Mir wurde immer unwohler zu Mute. Es waren unheimliche, eigenartige Straßen, durch die wir gingen – hier gab es keine Hütten aus geflochtenem Gras wie in Nehiri, sondern nur eine Menge fensterloser Gebäude aus massivem Holz, die auf der Frontseite Namenszeichen der Luft-Gilde zeigten. Dahinter begann ein Bezirk mit Wohnhäusern. Und was das für Häuser waren! Jedes schien eine andere verspielte Form zu haben, und das Licht des ersten Mondes glänzte auf vergoldeten Dachfirsten und prachtvollen Ornamenten an den Seitenwänden. Kowanda schien eine schwerreiche Stadt zu sein.
Ich versuchte, mich daran zu erinnern, was genau meine freundlichen Gastgeber in Ekaterin zu mir gesagt hatten. Erst, als ich das Gespräch im Kopf noch einmal durchspielte, fiel mir auf, dass Wynn und seine Eltern erschrocken ausgesehen hatten, als ich von einem Besuch in Kowanda gesprochen hatte. Sie hatten es für keine gute Idee gehalten. Vermutlich würde ich demnächst herausfinden, warum.
Die Wachen lieferten uns bei einem Palast ab, der die Form eines gedrungenen Turms hatte und wie eine Art Gasthaus für fliegendes Getier aussah – jedes der beiden Stockwerke war von Dutzenden kleinen Öffnungen durchzogen, durch die Vögel ins Innere schlüpfen und wieder ausfliegen konnten. Große Fenster und Balkons verrieten jedoch, dass auch Menschen darin lebten. Umgeben war der Vogelturm von einem eleganten Garten, dessen Bewässerung sicher ein kleines Vermögen kostete.
Endstation war für uns ein spitzes Zelt im Hof, vor dem zwei Männer standen. Beide Männer waren mit Armbrüsten und Messern bewaffnet, auf ihren Schultern hockten Pfadfinder. Im Zelt saß auf Sitzstangen ein halbes Dutzend unterschiedliche Raubvogelarten – angekettet, Hauben über den Köpfen, manche mit gestutzten Federn. Der Anblick machte mich krank. Als wir uns den Männern näherten, spitzte ich die Ohren, um etwas von ihrer Unterhaltung mitzubekommen.
»... dieses Nihkahalo-Weibchen habe ich letztes Jahr in Tassos gekauft. Prächtiges Gefieder, nicht wahr?«, erzählte einer
Weitere Kostenlose Bücher