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Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Titel: Der Südstern oder Das Land der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Vergangenheit Matakit’s inmitten seines wilden Stammes erklären konnte.
    Als die Nacht herankam, erwachte der Kaffer ebenso frisch, ebenso munter, als ob seine Athembewegungen nicht zwei oder drei Stunden fast vollständig unterdrückt gewesen wären. Er konnte jetzt erzählen, was bei jenem Unfall vorgegangen war.
    Der Eimer, der sich ihm zufällig auf das Gesicht gestürzt, und eine lange Leiter, welche schräg über ihn wegfiel, hatten ihn zunächst gegen die mechanische Einwirkung des Einsturzes gesichert und dann längere Zeit vor der Erstickung geschützt, da ihm eben dadurch in seinem entsetzlichen Gefängniß ein kleiner Luftvorrath übrig blieb.
    Ueber diesen glücklichen Umstand hatte er sich wohl Rechenschaft gegeben und Alles gethan, daraus Nutzen zu ziehen, indem er nur in langen Zwischenräumen Athem holte. Nach und nach freilich hatte sich die Luft verändert und Matakit gefühlt, daß sein Bewußtsein sich allmählich trübte. Endlich war er in eine Art schweren ängstlichen Schlummers verfallen, aus dem er nur zeitweise erwachte, um mit äußerster Anstrengung ein wenig Luft zu schöpfen. Von dem, was ihm sonst widerfahren, hatte er kein Bewußtsein; er war todt – denn er war wirklich vom Tode wieder auferstanden.
    Cyprien ließ ihn kurze Zeit plaudern, gab ihm dann zu trinken und zu essen und nöthigte ihn trotz seines Widerspruches, die Nacht über in dem Bett zu bleiben, in das er ihn geschafft hatte. Nachdem er sich endlich überzeugt, daß hier nichts mehr zu fürchten war, ließ er ihn allein, um seinen gewöhnlichen Besuch im Watkins’schen Hause zu machen.
    Den jungen Ingenieur drängte es, Alice die Erlebnisse des Tages mitzutheilen, wie seinen Widerwillen gegen die Minenarbeit, ein Widerwillen, der durch den beklagenswerthen Unfall des heutigen Morgens nur genährt werden konnte. Es schnitt ihm in’s Herz, täglich das Leben Matakit’s auf’s Spiel zu setzen wegen der sehr fraglichen Chance, einige schlechte Diamanten zu gewinnen.
    »Die Sache mit eigener Hand zu betreiben, das möchte noch hingehen! sagte er sich. Dieselbe aber für jämmerlichen Lohn einen unglücklichen Kaffern ausführen zu lassen, das ist einfach erbärmlich.«
    Er vertraute dem jungen Mädchen also seine Empfindungen und seinen Widerwillen an, und sprach ihr auch von dem Briefe, den er von Pharamond Berthès erhalten. Thäte er wirklich nicht besser, dem Rathe seines Freundes zu folgen? Was konnte er dabei verlieren, wenn er einmal nach dem Ufer des Limpopo reiste, um dort das Jagdglück zu versuchen? Das wäre sicherlich anständiger, als hier gleich einem Geizhalse die Erde zu durchwühlen, oder diese für seine Rechnung von anderen armen Teufeln durchwühlen zu lassen.
    »Was meinen Sie, Miß Watkins? Da Sie viel Feingefühl und praktischen Verstand haben, geben Sie mir einen Rath! Ich bedarf dessen sehr! Ich habe das moralische Gleichgewicht eingebüßt! Ich brauche eine befreundete Hand mich wieder aufzurichten!«
    So sprach er mit voller Offenherzigkeit und fand ein besonderes Vergnügen, das er sich gar nicht weiter erklärte, gerade darin, trotz seiner gewöhnlichen Zurückhaltung gegenüber dieser sanften und reizenden Vertrauten das Mißgeschick seiner Unentschlossenheit zu enthüllen.
    Das Gespräch wurde in französischer Sprache geführt und nahm schon nach Verlauf von wenig Minuten infolge dieses einfachen Umstandes einen recht vertraulichen Charakter an, obgleich John Watkins, der seit kurzer Zeit bei der dritten Pfeife eingeschlafen war, sich auch nicht darum gekümmert hätte, wenn die jungen Leute etwa Englisch oder irgend ein anderes Idiom gesprochen hätten.
    Alice hörte Cyprien mit inniger Theilnahme zu.
    »Alles, was Sie mir da sagen, antwortete sie, hab’ ich bezüglich Ihrer, Herr Méré, schon längst hin und her überlegt. Ich habe kaum begreifen können, wie Sie als Ingenieur und Gelehrter sich haben scheinbar fröhlichen Herzens entschließen können, ein derartiges Leben zu führen. Ist das nicht ein Verbrechen gegen Sie, wie gegen die Wissenschaft? Ihre kostbare Zeit an eine Handarbeit zu verschwenden, welche jeder Kaffer, jeder gewöhnliche Hottentott vielleicht besser als Sie verrichten könnte, das finde ich unerhört!«
    Cyprien hätte freilich nur ein Wörtchen zu sagen gebraucht, um dem jungen Mädchen diesen ihr so auffälligen und peinlichen Umstand zu erklären. Und wer weiß, ob sie diese Entrüstung nicht ein wenig übertrieb, um ihm ein Geständniß zu entlocken. Er

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