Der Südstern oder Das Land der Diamanten
der jemals das Licht des Tages wiedergestrahlt hat! rief er mit wirklich religiöser Ehrfurcht. Wie wird er erst aussehen, wenn seine Facetten alle kunstgerecht geschliffen sind!
– Würden Sie zustimmen, diese Arbeit zu übernehmen? fragte Cyprien eifrig.
– Ja, gewiß, liebes Kind! Das wäre der höchste Ruhm, die Krone meiner langen Lebensbahn!… Vielleicht aber möchten Sie lieber eine jüngere und sicherere Hand dazu wählen, als die meinige?
– Nein, antwortete Cyprien mit Wärme. Ich hege die Ueberzeugung, daß Niemand dieser Aufgabe mehr Sorgfalt und Geschick widmen wird, als Sie. Bewahren Sie diesen Diamanten, lieber Jacobus, und schneiden ihn, wie Sie es für gut finden Sie werden ein Meisterstück liefern. Die Sache ist hiermit abgemacht!«
Der Greis drehte und wendete den Stein zwischen den Fingern und schien unschlüssig zu sein, was er thun solle.
»Es beunruhigt mich nur eins, sagte er endlich. Wissen Sie, daß ich mich nicht recht mit dem Gedanken befreunden kann, ein Juwel von solchem Werthe in meiner Behausung zu haben? Das sind mindestens fünfzig Millionen, vielleicht noch mehr, was ich hier in der hohlen Hand halte. Es scheint mir nicht rathsam, eine solche Verantwortlichkeit auf mich zu nehmen.
– Wenn Sie nichts davon sagen, wird es ja kein Mensch wissen, Herr Vandergaart, und was mich angeht, so verpflichte ich mich zur Wahrung des strengsten Stillschweigens.
– Hm! Vermuthungen werden deshalb nicht ausbleiben! Es kann Ihnen Jemand gefolgt sein, als Sie zu mir gingen!… Man wird die Veranlassung annehmen, wenn sie auch Keiner sicher kennt! Den Leuten hier ist nicht über den Weg zu trauen! Nein, ich könnte keine Nacht ruhig schlafen!
– Vielleicht haben Sie Recht, erwiderte Cyprien, der die Einwendung des alten Mannes sehr wohl begriff. Doch was ist da zu thun?
– Das überleg’ ich eben!« antwortete Jacobus Vandergaart, der einige Augenblicke still schwieg.
Dann nahm er wieder das Wort:
»Hören Sie mich an, liebes Kind, sagte er. Was ich Ihnen vorzuschlagen gedenke, ist sehr delicater Natur, und ich setze dabei voraus, daß Sie unbegrenztes Vertrauen zu mir haben. Sie kennen mich jedoch zu gut, um es auffällig zu finden, daß ich in diesem Falle alle nur denkbare Vorsicht walten lassen möchte. Ich muß sofort mit meinen Werkzeugen und dem Stein von hier fort, um mich in einen Winkel zu verkriechen, wo mich Niemand kennt – vielleicht in Bloemfontein oder in Hope-Town. Da werd’ ich mir ein bescheidenes Zimmer wählen, mich einschließen, um ganz im Geheimen und ungestört zu arbeiten, und erst nach Vollendung dieser Aufgabe zurückkehren. Vielleicht gelingt es mir auf diese Weise, gewisse Leute, die gelegentlich zu Allem fähig sind, fern zu halten…. Doch ich wiederhole Ihnen, ich schäme mich fast, Ihnen einen solchen Vorschlag zu unterbreiten.
– Einen Vorschlag, den ich völlig gerechtfertigt finde, erwiderte Cyprien, und ich bitte Sie nur inständigst, denselben ohne Zögern auszuführen.
– Rechnen Sie darauf, daß die Sache ziemlich lange dauern kann, daß ich wenigstens einen Monat dazu brauche, und vergessen Sie nicht, daß mir auch unterwegs ein Unfall zustoßen könnte.
– Das schadet Alles nichts, Herr Vandergaart, wenn Sie glauben, daß das der beste Weg ist, zum gewünschten Ziele zu gelangen. Und wenn der Diamant verloren ginge, ist ja das Unglück nicht gar so groß!«
Jacobus Vandergaart betrachtete seinen jungen Freund mit seltsamem Erstaunen.
»Sollte ihn ein solcher Glücksfall um den Verstand gebracht haben?« fragte er sich.
Cyprien verstand seine Gedanken und begann zu lächeln. Nun erst erklärte er ihm, woher der Diamant stamme und daß er deren in Zukunft so viel herstellen könne, wie ihm beliebte. Ob der alte Steinschneider dieser Mittheilung nur halben Glauben schenkte oder ob ihn persönliche Gründe bestimmten, jetzt nicht in der allein liegenden Hütte bleiben zu wollen, wo ihm ein Edelstein von fünfzig Millionen an Werth als gefährlicher Hausgenosse erschien – kurz, er bestand darauf, noch zur Stunde abzureisen.
Nachdem er also in einem alten Ledersack seine Werkzeuge und die nöthigsten Habseligkeiten untergebracht, befestigte er an der Hausthür einen Zettel mit der Aufschrift: »In Geschäftsangelegenheiten abwesend«, steckte den Schlüssel in die Tasche, verbarg den Diamanten unter seiner Weste und brach unverzüglich auf.
Cyprien begleitete ihn zwei bis drei Meilen weit auf der Landstraße nach Bloemfontein und
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