Der Südstern oder Das Land der Diamanten
noch zweihundert Meter von den Elephanten entfernt. Wenn die mit so scharfem Gehörsinn begabten Thiere, welche schnell jede Gefahr wittern, die Annäherung der Jäger noch nicht bemerkt hatten, so kam das daher, daß diese sich unter dem Wind befanden und außerdem durch ein Dickicht mächtiger Baobabs gedeckt waren.
Inzwischen begann doch einer der Elephanten Zeichen von Unruhe zu geben und erhob den Rüssel wie ein Fragezeichen.
»Jetzt gilt es, sagte Annibal Pantalacci leise. Wenn wir Erfolg haben wollen, so müssen wir uns trennen und Jeder unser Stück auf’s Korn nehmen, dann auf ein Signal zusammen feuern, denn schon beim ersten Schusse wird die ganze Heerde die Flucht ergreifen.«
Dieser Vorschlag wurde angenommen; James Hilton wandte sich nach rechts, Annibal Pantalacci ging gleichzeitig nach links hin, und Cyprien blieb allein im Centrum. Dann schlichen alle Drei nahe auf die Lichtung zu.
Zu seinem größten Erstaunen fühlte da Cyprien wie zwei Arme sich kräftig um ihn schlossen, während die Stimme Lî’s ihm in’s Ohr flüsterte:
»Ich bins!… Ich kroch hinter Ihnen, Herr!… Sprechen Sie nicht… Sie werden gleich erfahren warum!«
Cyprien gelangte eben an die Grenze der Lichtung und befand sich jetzt von den Elephanten kaum noch dreißig Meter entfernt. Schon erhob er die Büchse, um auf jeden Fall bereit zu sein, als der Chinese ihm zuraunte:
»Ihre Büchse ist entladen!… Beunruhigen Sie sich deshalb nicht! Es wird schon Alles gut abgehen!…«
In diesem Augenblick ertönte ein schriller Pfiff, der als Zeichen zum Angriff dienen sollte, und gleichzeitig krachte ein Gewehrschuß – aber nur ein einziger – dicht hinter Cyprien.
Dieser drehte sich rasch um und bemerkte Annibal Pantalacci, der sich hinter dem Stamme eines Baumes zu verbergen suchte.
In demselben Augenblick nahm aber ein weit ernsterer Umstand seine Aufmerksamkeit in Anspruch.
Ein durch den Schuß verwundeter und dadurch wüthend gewordener Elephant stürzte auf ihn zu. Die anderen hatten, ganz wie der Neapolitaner vorausgesehen, die Flucht ergriffen, mit einem Getrappel, welches den Erdboden auf zweitausend Meter im Umkreise erzittern machte.
»Jetzt aufgepaßt! rief Lî, der sich noch immer an Cyprien klammerte. Sobald das Thier sich auf Sie werfen will, drängen Sie Templar zur Seite. Dann reiten Sie schnell um diesen Busch und lassen sich von dem Elephanten verfolgen!… Für das Uebrige werde ich schon sorgen!«
Cyprien gewann kaum die Zeit, dieser Warnung halb maschinenmäßig nachzukommen. Mit erhobenem Rüssel, blutunterlaufenen Augen, mit weitoffenem Maule und die Stoßzähne drohend auf ihn gerichtet, sprang die gewaltige Pachyderme mit unglaublicher Schnelligkeit auf ihn zu.
Templar erwies sich als erprobter Gaul. Mit wunderbarer Sicherheit folgte er dem Schenkeldruck seines Reiters und machte pfeilschnell einen Satz nach rechts. Der Elephant stürmte in der angenommenen Richtung genau über die Stelle weg, welche Pferd und Reiter noch den Augenblick vorher eingenommen hatten.
Der Chinese, der, ohne ein Wort zu sagen, blank gezogen, glitt jetzt zur Erde herab und sprang eiligst hinter den Busch, den er seinem Herrn gezeigt hatte.
»Dort… dorthin!… Wenden Sie um diesen Busch!… Lassen Sie sich verfolgen!« rief er noch einmal.
Der Elephant wendete sich, wüthend über den Mißerfolg seines ersten Angriffs, auf sie zurück. Ohne die Gründe Lî’s vollständig zu durchschauen, folgte Cyprien doch dessen Anweisung. Er sprengte um den Busch, gefolgt von dem keuchenden Thiere, und vereitelte noch zweimal dessen Angriff durch schnelle Wendung seines Pferdes. Konnte diese Taktik aber lange von Erfolg sein? Hoffte Lî auf diese Weise das Thier zu ermüden?
Ohne befriedigende Antwort zu finden, legte sich Cyprien eben diese Frage vor, als der Elephant zu seiner größten Verwunderung sich auf die Kniee niederließ.
Mit unvergleichlicher Gewandtheit den richtigen Moment abpassend, war Lî in dem hohen Grase dem Thiere unter die Füße geschlichen und hatte diesem mit einem einzigen Hiebe die Sehne an der Ferse, die man beim Menschen Achillessehne nennt, durchschnitten.
So gehen bei ihren Elephantenjagden die Hindus gewöhnlich zu Werke, und der Chinese hatte dieses Verfahren auf Ceylon gewiß oft genug nachgeahmt denn er führte dasselbe mit einer Sicherheit und Kaltblütigkeit ohne Gleichen aus.
Niedergeworfen und ohnmächtig, rührte sich der Elephant kaum noch und wälzte nur den Kopf in dem
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