Der Südstern oder Das Land der Diamanten
dichten Grase. Ein aus seiner Wunde hervorquellender Blutstrom raubte ihm sichtlich mehr und mehr die Kräfte.
»Hurrah!… Bravo!… riefen gleichzeitig Annibal Pantalacci und James Hilton, welche jetzt auf dem Kampfplatz erschienen.
– Wir müssen ihm durch eine Kugel in’s Auge den Garaus machen!« erklärte James Hilton, der ein unwiderstehliches Bedürfniß zu fühlen schien, in diesem Drama eine thätige Rolle zu spielen.
Mit diesen Worten schlug er schon an und gab Feuer.
Sofort hörte man, wie die Explosionskugel im Körper des riesigen Vierfüßlers zersprang. Er zuckte noch einmal krampfhaft zusammen und lag dann unbeweglich da, gleich einem grauen, zur Erde gestürzten Felsblock.
»Es ist zu Ende! rief James Hilton, der sein Pferd ganz nahe an das Thier herantrieb, um dieses besser zu sehen.
– Abwarten!… Abwarten!…« schien der listige Blick des Chinesen, den er auf seinen Herrn richtete, zu sagen.
Das schreckliche und unvermeidliche Nachspiel dieser Scene ließ denn auch nicht lange auf sich warten.
Kaum war James Hilton nahe an den Elephanten herangekommen, als er sich im Steigbügel niederbeugte, um jenem, wie zum Spott, eines der großen Ohren aufzuheben. Mit plötzlicher Bewegung erhob das Thier noch einmal den Rüssel, schlug diesen auf den vorwitzigen Jäger nieder und zertrümmerte ihm dabei die Wirbelsäule und die Hirnschale, ehe die entsetzten Zuschauer nur Zeit hatten, ihm hilfreich beizuspringen.
James Hilton stieß noch einen letzten Schrei aus. Binnen drei Secunden war er nichts mehr, als eine blutige Fleischmasse, auf welche der Elephant niedersank, um sich nicht wieder zu erheben.
»Ich wußte, daß es ihm an den Kragen gehen würde! sagte der Chinese, und hob dazu den Kopf in die Höhe. Wenn sie irgend Gelegenheit finden, versehen es die Elephanten niemals, ihren Feind noch in den letzten Todeszuckungen zu vernichten!«
Das war die ganze Leichenrede für James Hilton. Noch immer unter dem Eindrucke des Verrathes, dem er hatte zum Opfer fallen sollen, erkannte der junge Ingenieur in diesem plötzlichen Ende die gerechte Vergeltung der Vorsehung, geübt an einem Schurken, der ihn hatte wehrlos der Wuth eines so furchtbaren Thieres preisgeben wollen.
Die Gedanken, welche dem Neapolitaner jetzt aufsteigen mochten, hütete dieser sich weislich, Andern zu erkennen zu geben.
Inzwischen hatte der Chinese schon begonnen, in dem Rasen der Prairie eine Grube auszuheben, in welche mit Hilfe Cypriens bald die unförmlichen Reste seines Freundes für immer gebettet wurden.
Alles das nahm einige Zeit in Anspruch, und die Sonne stand schon hoch am Horizont, als die drei Männer den Weg nach dem Halteplatze wieder einschlugen.
Wie groß war aber ihr Erstaunen, als sie daselbst anlangten!… Bardik war hier nicht mehr zu finden.
Sechzehntes Capitel.
Verrätherei.
Was mochte also während der Abwesenheit Cypriens und seiner zwei Gefährten hier vorgefallen sein? Es wäre schwer zu sagen gewesen, wenn der junge Kaffer nicht vielleicht wieder erschien.
Man erwartete zunächst Bardik, rief nach ihm und sachte ihn überall, aber ohne daß eine Spur von demselben zu entdecken war. Das noch bei dem schon erloschenen Feuer stehende Frühstück, welches er zu bereiten begonnen hatte, schien darauf hinzudeuten, daß er vor zwei oder drei Stunden verschwunden sein konnte.
Cyprien sah sich also auf reine Muthmaßungen beschränkt, was die Abwesenheit seines Dieners veranlaßt haben könne, ohne daß er jedoch dadurch zu einer Erklärung derselben gelangte.
Daß der junge Kaffer etwa von einem Raubthiere überfallen worden wäre, war kaum anzunehmen, denn es fand sich keine Spur eines stattgehabten blutigen Kampfes, nicht einmal eine Unordnung in den Reiseeffecten u. s. w. Daß er davon gelaufen sei, um nach seiner Heimat zurückzukehren, wie das die Kaffern allerdings nicht selten thun, hatte ebenso wenig Wahrscheinlichkeit für sich gegenüber einem sonst so treu ergebenen Burschen, und der junge Ingenieur wies auch diese zuerst von Annibal Pantalacci angedeutete Annahme mit aller Entschiedenheit zurück.
Das Thier erhob den Rüssel… (S. 174.)
Kurz, nach halbtägiger Nachforschung wurde der junge Kaffer noch immer nicht wiedergefunden, und sein Verschwinden blieb ein vollkommen unerklärliches Vorkommniß.
Annibal Pantalacci und Cyprien berathschlagten also mit einander und beschlossen darauf, mit der Aufhebung des Lagers jedenfalls noch bis zum anderen Tage zu warten.
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