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Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Titel: Der Südstern oder Das Land der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vollständig überzeugt schien. Glauben Sie wirklich nicht, daß dieser listige Matakit seinen Schreck nur geheuchelt hat, um sich den Händen der damals anwesenden Polizeibeamten zu entziehen?
    – Nein, er ist unschuldig!… Meine Ueberzeugung steht nach dieser Seite unwandelbar fest, sagte Cyprien etwas trocken, und diese hab’ ich wohl etwas theuer erkauft, glaub’ ich!
    – O, Sie mögen ja Ihre Ansicht behalten, rief John Watkins; ich werde deshalb doch bei der meinigen bleiben.«
    Alice sah, daß das Gespräch eine unangenehme Wendung anzunehmen drohte, und wünschte dem zuvorzukommen.
    »Da fällt mir ein, Herr Cyprien Méré, sagte sie, wissen Sie denn schon, daß Ihr Claim während Ihrer Abwesenheit ein ganz ausgezeichneter geworden, und daß Thomas Steele, Ihr Geschäftstheilhaber, auf bestem Wege ist, einer der reichsten Mineurs der Kopje zu werden?
    – Nein, wahrhaftig nicht, antwortete Cyprien offenherzig. Mein erster Besuch galt Ihnen, Miß Watkins, und ich weiß überhaupt nichts von Allem, was sich während meines Fernseins ereignet hat.
    – Vielleicht haben Sie noch nicht einmal zu Mittag gegessen? rief Alice mit dem ihr eigenen Instinct der Hausfrau.
    – Ich gestehe es! erwiderte Cyprien erröthend, obwohl er dazu keine besondere Ursache hatte.
    – O, Sie dürfen aber nicht fortgehen, ohne gegessen zu haben, Herr Méré… ein Reconvalescent und nach so beschwerlicher Reise!… Bedenken Sie doch, es ist schon elf Uhr Abends!«
    Ohne auf weitere Einreden zu achten, lief sie nach der Speisekammer und brachte auf einem mit weißem Linnen bedeckten Brett mehrere Teller mit kaltem Fleisch nebst einer schönen, selbst gebackenen Pfirsichtorte herein.
    Alles das wurde dem ziemlich verlegenen Cyprien vorgesetzt, und da er etwas zögerte, von dem vortrefflichen »Biltong«, eine Art Straußenconserve, zuzulangen, sagte Miß Watkins:
    »Soll ich Ihnen vorschneiden?« Dabei lachte sie den jungen Mann mit heiterem Jugendmuthe an.
    Bald verlangte auch der Farmer, dem die aufgestellten Leckereien selbst Appetit gemacht, einen Teller und eine Schnitte Biltong. Alice beeilte sich, ihn nicht warten zu lassen, und nur um den Herren Gesellschaft zu leisten, wie sie sagte, fing sie an einige Mandeln zu kosten.
    Das improvisirte Mahl war vorzüglich. Niemals hatte der junge Ingenieur einen so unbezwinglichen Appetit empfunden. Er legte sich dreimal von der Pfirsichtorte vor, trank zwei Gläser Constancia-Wein, und setzte seinen Uebungen dadurch die Krone auf, daß er zustimmte, den Gin des Mr. Watkins zu kosten, welch’ Letzterer übrigens bald sanft einschlief.
    »Und was haben Sie während dieser drei Monate begonnen? fragte Cyprien Alice. Ich fürchte, Sie werden Ihre Chemie völlig vergessen haben.
    – O nein, darin irren Sie doch! antwortete Miß Watkins in etwas vorwurfsvollem Tone… Im Gegentheil, ich habe tüchtig studirt und mir sogar erlaubt, in Ihrem Laboratorium einige Experimente anzustellen. Doch seien Sie ruhig, ich habe nichts zerbrochen, und Alles wieder bestens geordnet.
    Offen gestanden, ich liebe die Chemie sehr, und begreife kaum, wie Sie eine so schöne Wissenschaft hatten aufgeben können, um Minengräber oder Veldläufer zu werden!
    – Aber Sie wissen doch, grausame Miß Watkins, aus welchem Grunde zeitweilig auf die Chemie verzichtete?
    – Ich weiß davon gar nichts, erwiderte Alice roth werdend, und finde nur, daß das nicht recht ist! An Ihrer Stelle würde ich versuchen, Diamanten zu erzeugen; das ziemt Ihnen jedenfalls mehr, als solche unter der Erde zu suchen.
    – Ist das ein Befehl, den Sie mir ertheilen? fragte Cyprien mit leise zitternder Stimme.
    – O nein, antwortete Miß Watkins, höchstens eine Bitte!… Ach, Herr Méré, fuhr sie fort, um den leichten Ton ihrer ersten Worte zu verwischen, wenn Sie wüßten, wie unglücklich ich gewesen bin, Sie so vielen Anstrengungen und Gefahren ausgesetzt zu wissen. Wohl kannte ich sie im Einzelnen nicht, kann mir aber eine Vorstellung von dem Ganzen machen. Mußte ein Mann, wie Sie, sagte ich mir, der so gelehrt, so geeignet ist, die schönsten Arbeiten zu liefern, die wichtigsten Entdeckungen zu machen, mußte dieser der Gefahr ausgesetzt werden, in der Wüste vielleicht elend umzukommen, ohne Nutzen für die Wissenschaft und für die Menschheit, vielleicht dem Bisse einer Schlange oder dem Tatzenschlage eines Tigers zu erliegen?… Wahrlich, es ist ein Verbrechen, daß man Sie abreisen ließ!… Und wie sehr hatte ich Recht! Ist

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