Der suendige Engel
beiseite.
»Nein!« kreischte Mahabali. »Halt es mir vom Leibe! Ich erfülle alle deine Forderungen!«
Salea lachte spöttisch. »Ich nehme mir lieber selbst, was ich begehre.«
Im nächsten Augenblick hatte die Kreatur den Herrscher erreicht. Er versuchte sich noch in einen Wolf zu verwandeln und zu flüchten, aber die riesigen Pranken packten seinen halb transformierten Körper und schmetterten ihn zu Boden.
Mahabali war augenblicklich tot. Sein Körper löste sich zu Staub auf.
Friede seiner Asche, dachte Salea spöttisch. Bevor das Ungeheuer weiter wüten konnte, machte sie eine weitere Handbewegung, die es innehalten ließ.
»Hört mich an, Bürger von Al'Thera!« rief sie. Triumphierend blickte Salea in die Runde. Die Wachen, die übriggebliebenen Priester und Tempeldiener sowie das herrschaftliche Gefolge starrten sie fassungslos an. »Euch wird nicht das Geringste geschehen, wenn ihr mich als eure rechtmäßige Herrscherin anerkennt.« Sie deutete auf das Häuflein Asche, das von Mahabali übriggeblieben war und das der Wind bereits verwirbelte. »Ich habe ihn besiegt. Also werde ich seine Position einnehmen. Und ich verspreche euch, es wird nicht zu eurem Nachteil sein!«
Mißtrauen schlug ihr wie eine Wand entgegen.
»Wer garantiert uns, daß du es ehrlich meinst, wenn du schon den Kodex brichst?« fragte einer der Männer aus dem Gefolge.
Der Kodex war das oberste Gesetz. Er besagte, daß kein Vampir einen anderen töten dürfe. Salea hatte ihn doppelt gebrochen - sogar viermal, rechnete man die beiden Dienerinnen mit ein, von denen die Menge nichts ahnte.
Also gut, sie brauchen noch eine weitere Demonstration, dachte Salea. Ein Wink von ihr genügte, um die Kreatur wieder aktiv werden zu lassen. Mit einem Hieb seiner Klauen zerdrückte sie den Mann, der die Frage zu stellen gewagt hatte, am Boden. Von dem Vampir blieb nicht mehr als ein blutiges Etwas auf den Marmorfliesen.
Nun wagte niemand mehr zu widersprechen. Im Gegenteil; einer nach dem anderen sank auf die Knie und beugte demütig den Kopf vor ihr.
»Wollt ihr mir gehorchen und mir dienen?« rief sie.
»Wir gehorchen und dienen!«
Sie kostete das prickelnde Gefühl der Macht mit allen ihren Sinnen aus. Es war berauschender als jeder Höhepunkt, den sie bislang in den Armen irgendeines Mannes erlebt hatte. Sie spürte, daß sie vor Erregung zitterte.
Alles oder nichts, das war ihre Devise gewesen. Die Herrschaft oder den Tod. Sie hatte alles in die Waagschale geworfen - und gewonnen.
Sie, Salea war die ungekrönte Herrscherin über Al'Thera. Für heute und immerdar.
*
Zwei Stunden später befand sie sich in ihren neuen Gemächern. Alles, was getan werden mußte, um ihre gerade gewonnene Macht zu festigen, war vollbracht. Die Leibgarde war auf sie eingeschworen, die wichtigsten von Mahabalis ehemaligen Getreuen ihr zu Diensten, und auch die Priesterschaft kuschte vor ihr.
Sie hatte einen ersten Sieg errungen.
Einen ersten Sieg? Was dachte sie da? Den letztlichen Sieg! Niemand würde es nach den Geschehnissen der Nacht wagen, sich ihr noch in den Weg zu stellen.
Ein Geräusch in ihrem Rücken ließ sie herumfahren. Als sie sah, wer den Weg durch das Fenster gewählt hatte, entspannte sie sich und lächelte.
»Ich dachte schon, du kämst überhaupt nicht mehr. Ich habe mei-ne Dienerinnen schon vor einer Ewigkeit weggeschickt. Oder möchtest du nicht, daß ich dir meine Dankbarkeit beweise?«
Der junge Mann vor ihr verzog die Lippen zu einem Lächeln. Er trug nur ein leichtes Gewand, unter dem sich seine prächtigen Muskeln athletisch abzeichneten. Vor allen Dingen aber seine Männlichkeit nahm Saleas Blick gefangen.
Welch ein Unterschied zu diesem Versager von Mahabali!
Sie glitt aus ihrem Gewand und trat mit schnellen Schritten auf ihn zu. Noch fiel es ihr schwer, sich vorzustellen, daß dies nur eine von vielen Gestalten war, die das Wesen annehmen konnte. Er war auch die Kreatur im Bassin und auf dem Tempelplatz gewesen. Rank'Nor verfügte über viele Gesichter.
Gleichwohl, dachte sie. Heute nacht kam er in der Gestalt, in der er für den Moment am nützlichsten für sie war. Sie drängte ihren heißen und gar nicht mehr so jungfräulichen Körper an den seinen und rieb sich an ihm.
Ihre Jungfräulichkeit! Das war das größte Risiko gewesen! Keiner der Trottel hatte daran gezweifelt oder sie einer Probe unterzogen. Selbst Mahabali hatte nicht an ihrer Jungfräulichkeit gezweifelt. Alles wäre umsonst gewesen, wäre die
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