Der suendige Engel
nun auf dem Boden befinden.
Dann machte sie sich auf den Rückweg. Diesmal war es einfacher, da sie den Weg in ihrem Gedächtnis gespeichert hatte. Automatisch folgten ihre Schritte ihrem inneren Kompaß. Dennoch schien es ihr abermals eine Ewigkeit zu dauern, ehe sie endlich wieder den Raum mit dem Käfig erreichte.
Sie hatte sich nicht geirrt! Der Käfig stand nun auf dem Boden. Ihr Geliebter war darin zusammengesunken, sein Wimmern verstummt.
Sie beeilte sich, den Schlüssel in dem Schloß herumzudrehen. Die Ketten fielen klirrend auf den steinernen Boden.
Die junge Frau zog die Tür auf und schlang ihre Arme um den Geliebten. Er hatte die Augen geschlossen, aber sie spürte, daß sie nicht zu spät gekommen war. Noch war vampirisches Leben in ihm.
Aber wie sollte sie die Kraft finden, mit ihm zusammen aus diesem Labyrinth herauszufinden? Wieder wurde ihr die Aussichtslosigkeit ihrer Lage bewußt.
Da schlug Magrador die Augen auf. Unwillkürlich zuckte Calara zurück. Seine Augen hatten sich seltsam verändert. Sie erinnerten an die leuchtenden Pupillen von Raubtieren, und augenblicklich kam ihr wieder das Aufblitzen in den Gängen in den Sinn.
Es waren seine Augen gewesen!
Seine Augen? Plötzlich erkannte sie es: Dieser Mann mochte aussehen wie ihr Geliebter, aber es war nicht Magrador! Irgend jemand benutzte seine Gestalt!
Mit einem Aufschrei ließ Calara ihn los und stürzte davon. Hinter ihr ertönte ein Lachen.
Es war eine Falle gewesen! Sie hatten nur ihr Spiel mit ihr getrieben!
Trotz der Dunkelheit in den Gängen hatte Calara das Gefühl, daß ihre Gegner jeden ihrer Schritte genau verfolgten. Von Panik erfüllt schaute sie zurück.
Sie glaubte wieder, die Augen des Mannes wie die eines Raubtieres in der Finsternis aufblitzen zu sehen. Die Todesfurcht über-mannte sie beinahe. Ihre Beine weigerten sich ihren Dienst zu tun. Sie zitterte so heftig, daß ihre Zähne aufeinanderschlugen und ihre Glieder unkontrollierte Bewegungen vollführten.
Von einem Moment zum anderen war jegliche Widerstandskraft in Calara erlahmt. Sie spürte, wie ihr Verfolger langsam näherkam, noch bevor sie seinen Schemen in der Dunkelheit ausmachen konnte. Seine Gestalt schien zu zerfließen.
Er schüttelte das Aussehen ihres Geliebten wie eine zu eng gewordene Hülle einfach ab. Etwas Anderes, Ungeheures schälte sich daraus empor. Ein massiger Körper, auf dem ein behörnter Kopf thronte, mit einem riesigen Rachen, in dem mehrere Reihen nadelspitzer Zähne blitzten. Klauenbewehrte Tatzen griffen nach ihr. Sie sah es im Widerschein - - eines purpurfarbenen Lichts?
Calara blickte an sich selbst heran und bemerkte erst jetzt das purpurne Leuchten, das ihren Leib umfloß. Und schon in der nächsten Sekunde spürte sie die Veränderung, die mit ihr vorging.
Etwas geschah. Etwas Schmerzhaftes. Und diese Veränderung
ging nicht von dem Wesen aus, das sich ihr näherte ...
*
Salea schrie auf. Die Szene in der magischen Kristallkugel beachtete sie nicht mehr. Das letzte, was sie darin gesehen hatte, war der Purpurschimmer auf der Haut des Vampirmädchens gewesen.
Der im gleichen Moment entstanden war, als auch sie selbst von purpurfarbenem Glanz ummantelt wurde!
Es war eine geisterhafte, unwirkliche Erscheinung. Das Licht prickelte leicht auf ihrer Haut, aber es schmerzte nicht und zog auch sonst keine Folgen nach sich. Es war aus dem Nichts gekommen -und löste sich jetzt ebenso schnell wieder auf.
In der nächsten Sekunde war der Purpurglanz verschwunden. Sa-lea strich über die kühle Haut ihres rechten Arms und lauschte in sich.
Aber da war nichts, kein unheilvolles Echo, kein leiser, noch ferner Schmerz oder eine unheilvolle Ahnung.
Sie konnte nicht wissen, daß der Vorgang, ausgelöst im fernen Kairo durch den Einsatz des infizierten Lilienkelchs 1 , sich überall in Al'Thera wiederholte, wo immer sich Sippenführer aufhielten. Und daß die Seuche dank der Bevölkerungsdichte reichlich Nahrung fand und sich wie ein Buschfeuer verbreitete.
Trotzdem war Salea über alle Maßen beunruhigt - vor allen, als ihr Blick nun erneut in die Kugel fiel.
Mit dem Mädchen im Labyrinth war etwas geschehen. Bei ihm schien den Purpurschein nicht ohne Folgen geblieben zu sein, denn es krümmte sich vor Schmerz.
Irritiert verfolgte Salea die Szene. Rank'Nor, der nur noch wenige Schritte von seinem Opfer entfernt war, blieb ebenfalls stehen und beobachtete fasziniert, was mit dem Mädchen geschah.
Calara krümmte sich, als
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