Der suendige Engel
aus, aber diese sogenannte Hilfe kam eher einer Invasion gleich. Wer garantierte ihr, daß die geflügelten Wesen auch wieder verschwinden würden? Und welche Macht hatte sie noch, dies zu verlangen?
»Ich hoffe, dein Widerwille gegen meine Brüder wird nicht allzu lange andauern.« Rank'Nor grinste anzüglich. »Schließlich hast du dich bei mir ja auch nicht lange geziert!«
»Unser Pakt ist nichtig!« sagte Salea. »Ich verlange, daß du Al'The-ra wieder dorthin zurückversetzt, wo es sich vor fast tausend Jahren befand - und daß du danach verschwindest. Mitsamt deinen Brüdern!«
Rank'Nor lächelte sie grausam an. »Du wirst anmaßend«, erklärte er. »Unser Pakt wurde mit schwarzem Blut besiegelt. Er ist nicht so ohne weiteres zu lösen, das weißt du. Außerdem . was mich angeht, so habe ich keinen Grund zur Klage!«
Er wollte nach ihr greifen, aber Salea stieß ihn von sich. Rank'Nor gab ein Grollen von sich, das tief aus seinem Inneren zu kommen schien. Seine Augen blitzten gefährlich und schienen sich in glühende Kohlen zu verwandeln. Einen Moment lang fürchtete Salea, daß er sich auf sie stürzen wollte. Gerade noch rechtzeitig schien ihm einzufallen, wen er vor sich hatte.
Statt dessen erinnerte er sie an etwas: »Was auch immer passiert ist, du bist mir etwas schuldig«, sagte er. »Du kannst weiterhin über Al'Thera herrschen. Und das hast du mir zu verdanken!«
»Ich wäre lieber tot«, sagte Salea müde. Ihre Wut verrauchte und machte einer nie gekannten Hoffnungslosigkeit Platz.
»Du solltest nicht an den Tod denken«, warnte ihr Verbündeter sie.
»Wer sollte mich daran hindern?«
»Es gibt Schlimmeres als den Tod. Falls du an Selbstmord denkst -vergiß es. Deine Seele würde auf ewig die schlimmsten Qualen erleiden.«
Er sagte nicht, wer ihrer Seele diese Qualen bereiten würde, aber Salea wußte, daß es eine Drohung war. Sie hatte oft genug beobachtet, was er mit den schwarzen Seelen der Vampiropfer angestellt hatte, bevor er sie verschlang. Früher hatte sie es genossen, ihm dabei zuzusehen. Nun schauderte sie bis ins Mark.
»Also schön«, sagte sie schließlich. »Diese eine Nacht werde ich es mit dir und deinesgleichen noch aushalten. Was danach geschieht . darüber werde ich später nachdenken.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Gebieterin. Ich habe nicht vor, mich mit einer einzigen Nacht zu begnügen. Wie ich schon andeutete: Meinen Brüdern gefällt es hier sehr gut!«
Salea begriff.
Und Rank'Nor fuhr fort: »Ich werde mich hier im Palast schon nicht langweilen. Dafür wirst du sorgen!«
Salea wich zurück. Schneller, als sie befürchtet hatte, verkehrten sich die Machtverhältnisse in ihr Gegenteil.
»Verschwinde! Auf der Stelle!« zischte sie.
»Wer bist du, daß du dies verlangen darfst?« grinste er. »Und jetzt lege dein Gewand ab! Oder ist es dir lieber, wenn ich es dir vom Leib reiße?«
Salea wich noch weiter zurück.
»Aber vielleicht bevorzugst du ja einen meiner Brüder. Ich habe ihnen von deinen Vorzügen erzählt. Sie können es kaum erwarten, deine Bekanntschaft zu machen .«
Damit kam er über sie - und ließ erst nach Stunden wieder von ihr ab. Salea lag auf dem weichen, duftenden Lager ihres Gemachs und war zu schwach, um sich zu erheben. Sie war durch die Hölle gegangen. Rank'Nor hatte sie spüren lassen, welche Rolle sie in Zukunft zu spielen hatte.
Die seiner Sklavin.
Irgendwann hatte er von ihr abgelassen, nicht ohne ihr genüßlich zu versichern, daß er bald zurückkäme.
Salea sah in der Kugel, was er vorhatte.
Rank'Nor hatte nicht vergessen, daß im Labyrinth noch immer ein Opfer auf ihn wartete. Nun war es an der Zeit, es sich zu holen ...
* Calara hockte reglos da. Das einst blühende Geschöpf war mitten im Sterben daran gehindert worden, Frieden zu finden. Calara bestand nur noch aus Haut und Knochen. Ihr Gesicht glich einem Totenschädel. Dennoch zwang eine unerbittliche Magie sie, weiterzuleben. Teilnahmslos saß sie in der Dunkelheit des Labyrinths.
Nun drang ein Befehl in ihren leeren Verstand. Sie wußte nicht, was er bedeutete, aber sie gehorchte automatisch. Bilder tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Auch sie hatten keinerlei Bedeutung mehr. Ein Mann. Ein Name. Magrador ...
Nur langsam begann sich ihr Gedächtnis zu füllen. Noch immer waren ihr die Bilder und Namen fremd, aber sie verursachten Gefühle in ihr; Gefühle, die sie dazu brachten zu reagieren.
Mühsam erhob sie sich, geriet ins Wanken, fing sich wieder;
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