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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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»Lu, ich weiß, dass du hier bist, ich kann es fühlen.«
    Da ist es wieder. Es klingt wie ein tropfender Wasserhahn. Sofort drängt sich ein anderes Bild vor sein inneres Auge. Nicht von Wassertropfen, sondern von Blutstropfen, wie die auf dem Gras, die sie zum See geführt haben. Er muss wissen, woher dieses Tropfen kommt und was das für Tropfen sind.
    Das Geräusch scheint aus dem Regal mit den Einmachgläsern zu kommen. Ein undichtes Glas?
    Vorsichtig räumt er eine Reihe Gläser weg. Fassungslos starrt er auf das, was vor ihm liegt. Es sind drei große, noch gefrorene Tupperdosen mit der Aufschrift Lasagne und ein Berg mit Beuteln von gefrorenen Kirschen, von denen kondensiertes Wasser auf den gefliesten Boden tropft.
    Warum liegen hier gefrorene Lebensmittel? Warum sind sie nicht in der Tiefkühltruhe oder im Kühlschrank? Diego wird kalt, als ihm klar wird, was das bedeuten kann. War vielleicht kein Platz mehr in der Truhe?
    Er stürzt zur Tiefkühltruhe, um den Deckel zu öffnen, aber der ist verschlossen. »Verdammt!«
    Er rennt zurück in den Werkzeugkeller, greift sich ein Stemmeisen und einen Hammer und macht sich sofort daran, den Deckel hochzustemmen. Die ganze Zeit ruft er Lus Namen, verdrängt die Angst vor dem, was er finden könnte.
    Mit einem gewaltigen letzten Schlag ist der Deckel weggesprengt, und was er sieht, lässt ihn entsetzt nach Luft schnappen, zerreißt sein Herz.
    Da liegt sie, seine Prinzessin, seine rotgoldene Lu, jetzt bleich wie das Eis an den Wänden der Truhe, bleich wie auf einem Totenbett. Ihre Augen sind geschlossen und in ihren Wimpern hängen kleine Eiskristalle. Sie atmet nicht. Er beugt sich über sie und hebt sie unter Aufbietung all seiner Kraft aus ihrem eiskalten Gefängnis, sie ist schwer, aber er wird sie nicht loslassen, er wird sie nie mehr loslassen.
    Er zieht sie eng an seine Brust, reibt über ihre Arme und Beine, die so kalt sind. Eiskalt. Und sie rührt sich nicht. Sie schlägt nicht die Augen auf, sie atmet nicht. »Lu, Liebes, wach auf, wach auf, alles wird gut!«
    »Sebastian, ruf einen Notarzt«, schreit er und muss Tränen wegblinzeln, »bring eine Decke, bring Kaffee, bring alles Warme, was die Bude hergibt. Die verdammte Hexe hat deine Schwester eingefroren.«
    Er nimmt Lu auf seine Arme, steigt mit ihr die
schmale Treppe hoch und schwört sich, dass sein Leben jetzt anders werden muss. Wenn sie das überlebt, dann werden sie ganz neu anfangen.
    Kurz bevor er oben angekommen ist, schlägt Lu ihre Augen auf und schaut ihn mit stark vergrößerten Pupillen an.
    Und obwohl es so vieles gibt, was er ihr immer schon hätte sagen müssen und was er ihr jetzt so gern sagen würde, bringt er nichts heraus, sein Hals ist wie verschnürt, seine Zunge verknotet. Er versucht es, er räuspert sich. Jetzt!
    Genau in diesem Moment klappen ihre schweren Lider wieder herunter, schließen ihn aus und lassen ihn allein zurück. Er beißt die Zähne zusammen und beeilt sich, nach draußen zu kommen, wo schon ganz leise die Sirene des Notarztes an sein Ohr dringt und ihn mit Hoffnung erfüllt.
    »Lu«, flüstert er jetzt doch und seine Stimme klingt fremd in seinen Ohren. »Lu, verzeih mir, wenn du mich schon nicht länger lieben kannst. Es tut mir so leid.«
    Und da huscht der schwache Abglanz eines Lächelns über ihr Gesicht. Er ist nicht wirklich sicher, aber er möchte es so gern glauben.

Lu am Sonntag, dem 2. August 2012, 12:00 Uhr
    Ich kann mich immer noch nicht sattsehen an Ida. Sie sitzt verpackt in eine neongelbe Schwimmweste und mit einem großen Sonnenhut auf dem Kopf, der ihre kurz geschnittenen Haare verdeckt, zwischen mir und Diego im Kanu und klatscht begeistert in ihre Händchen. »Schneller, schneller!«, kommandiert sie und
Diego, der mit nacktem Rücken vor uns sitzt und braun gebrannt wie ein Indianer das Doppelpaddel lautlos im Wasser versenkt, gehorcht ihr. Ich habe aufgehört zu paddeln, mich zurückgelehnt und schaue den beiden zu, während unser Kanu auf dem Main schwerelos dahingleitet. Ida dreht sich zu mir um, sieht, dass ich meine Hände träge ins kühle Wasser hängen lasse, und kichert. Ich lege meinen Zeigefinger an die Lippen und beschwöre sie mit Gesten, Diego ja nichts zu verraten. Sie nickt und dreht sich sofort wieder um, aber ich bin sicher, sie wird gleich wieder loskichern.
    Wir haben es alle drei überstanden, die Ärzte haben Ida wieder auf die Beine gebracht und ihre Haare wachsen wieder. Meine Wunden sind verheilt, aber die

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