Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
in der Küche an einem Ventilator, und die hört ein kleines Mädchen schreien und dann, wie ein Auto davonrast, aber bis sie es zur Haustür schafft, ist der Wagen schon zwei Häuserblocks weiter. Weißer Wagen. Amerikanische Marke. Das war’s auch schon. Kein Kennzeichen, keine Beschreibung. Büchertasche mit ihrem Schwimmzeug bleibt auf der Straße liegen. Die alte Dame hatte es echt drauf, muss man ihr lassen. Meldet das, was sie gesehen hat, sofort der Polizei. Aber bis eine Streife bei ihr ist, das Haus findet, mit der alten Dame spricht und eine Suchmeldung rausbringt, ist kaum noch was zu holen. Wissen Sie, wie viele weiße Autos es im Dade County gibt?«
»Eine Menge.«
»Kann man wohl sagen. Trotzdem ermitteln wir aufgrund des wenigen, das wir haben. Wir konnten, verflucht noch mal, nur einen einzigen Fernsehsender dazu kriegen, an dem Abend das Bild des Mädchens zu bringen. Vielleicht war sie denen nicht hübsch genug, was weiß ich …«
»Vielleicht hat es an der falschen Hautfarbe gelegen.«
»Sie sagen es. Weiß der Teufel, wonach diese Mistkerle entscheiden, was in die Nachrichten kommt und was nicht. Nachdem wir die Poster verteilt hatten, kamen ein paar Dutzend Anrufe rein. Soll mal hier, mal dort, mal sonst wo gesehen worden sein. Dann haben wir ihre Familie gründlich überprüft, wollten wissen, ob sie vielleicht jemand entführt hat, der sie kannte, aber nein, die Perrys waren anständige Leute. Er arbeitet bei der Kraftfahrzeugbehörde, sie in der Cafeteria einer Grundschule. Keine häuslichen Probleme. Noch drei andere Kinder. Was sollten wir denn machen? Ich hatte noch hundert andere Fälle auf dem Tisch. Überfälle, Einbrüche, bewaffneter Raub. Gibt sogar ein paar Fälle, die ich lösen kann. Muss meine Zeit sinnvoll nutzen, wissen Sie. Ist bei Ihnen vermutlich nicht anders. Also wurde einer von diesen Fällen draus, bei denen man einfach abwarten muss, dass irgendwann jemand die Leiche findet und dann das Morddezernat übernimmt. Aber vielleicht passiert das nie. Schließlich sind wir hier unten verdammt nah an den Everglades. Da kann man jemanden ziemlich schnell loswerden. Normalerweise geht es um Drogendealer. Die biegen einfach auf eine alte Zufahrtsstraße ab und schmeißen eine Leiche in die Glades. Vertrauen darauf, dass der gute alte Sumpf ihnen die Arbeit abnimmt. Kinderspiel. Das schafft jeder, durch die Bank, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Es kann jeder gewesen sein.«
»Jeder, der eine Schwäche für kleine Mädchen hat. Und verhindern will, dass sie jemandem sagen, was mit ihnen passiert ist.« Der Detective schwieg. »Manchmal wundere ich mich, dass wir nicht Hunderte Fälle dieser Art haben. Wenn Sie dieses Mädel in Ihren Wagen bekommen können, ohne sich erwischen zu lassen, na ja, dann kommen Sie mit allem durch.«
»Aber Sie hatten keine …«
»Nee, sonst hatten wir keinen solchen Fall. Ich hab in Monroe und Broward nachgehört, aber die hatten auch nichts. Ich hab ein Sexualtäterprofil durch den Computer gejagt, und er hat ein paar Namen ausgespuckt. Zwei von den Arschlöchern haben wir uns sogar vorgeknöpft, aber der eine war nicht in der Stadt, als Dawn verschwand, und der andere bei der Arbeit. Aber das war auch schon ein paar Tage nach ihrem Verschwinden, Sie wissen ja, wie das ist …«
»Und?«
»Und nichts. Nada. Null. Keinerlei Beweise oder Anhaltspunkte. Nur ein Mädchen, das schon zu lange verschwunden ist. Dann erzählen Sie mal was zu Ihrem Fall. Irgendwelche Parallelen?«
Brown überlegte sich seine Antwort genau. »Nein, wohl eher nicht. Bei uns war es ein weißes Mädchen, das gerade aus der Schule kam. Liegt eine Weile zurück. Wir hatten einen Verdächtigen, konnten ihn aber … am Ende doch nicht festnageln.«
»Verstehe. Schade. Dachte, Sie hätten vielleicht etwas, das uns weiterhelfen könnte.«
Brown bedankte sich bei dem Detective und legte auf. Er konnte nicht stillsitzen, und so sprang er auf, trat ans Fenster und starrte in die Dunkelheit.
Von seinem Zimmer aus konnte er bis zum Highway in westöstlicher Richtung blicken, der mitten durchs Zentrum von Miami und weiter ins Innere des Bundesstaates führte, an den Neubaugebieten, dem Flughafen, den Fabriken und Einkaufszentren vorbei und schließlich durch die ärmeren Außenbezirke am äußersten Rand der Stadt zur morastigen Mitte des Bundesstaates. Die Everglades grenzen an Big Cypress. Es folgen die Sumpfgebiete Loxahatchee und Corkscrew, die Gegend um den Fluss
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