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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Welt auch gerade erscheinen mochte, die unverdrossen beschwingte Reaktion hatte ihn immer ein wenig aufgerichtet. Tanny Brown wurde bewusst, dass er sich schon länger nicht mehr bei Lucious gemeldet hatte.
    »Wie läuft’s denn so in Eatonville?«, fragte er.
    »Ha! Wusstest du, dass wir dabei sind, so was wie eine Touristenfalle zu werden, Tanny? Die Leute kommen nur wegen der guten Miz Hurston, Gott gebe ihrer Seele Frieden. Reicht vielleicht nicht ganz an Disney World oder Key West ran, aber ist schon irgendwie schön, neue Gesichter in der Stadt zu sehen.«
    Brown versuchte, sich Eatonville ins Gedächtnis zu rufen. Sein Freund war dort aufgewachsen, seine Sprechweise verriet den Rhythmus der Stadt – einem kleinen Örtchen mit einem ausgeprägten Sinn für Ordnung und einer fast ausschließlich schwarzen Bevölkerung. Dank der Schriftstellerin Zora Neale Hurston, der prominentesten Bewohnerin, hatte Eatonville traurige Berühmtheit erlangt. Mit ihr hatten die Intellektuellen und schließlich auch die Filmindustrie den verschlafenen Ort entdeckt. Vor allem aber war es eine Kleinstadt für schwarze Bürger unter schwarzer Verwaltung.
    Es trat eine kurze Pause ein, bevor Lucious Harris fragte: »Also, du rufst nicht mehr an. Schwer zu sagen, ob wir noch Freunde sind. Andererseits ist mir nicht entgangen, dass du in letzter Zeit einiges an Publicity bekommen hast, wenn auch nicht unbedingt die Art, um die man sich reißt, hab ich recht?«
    »Ja.«
    »Und dann verstreicht wieder ein bisschen Zeit, und ich hab dich am Telefon, aber nicht, um mir zu erklären, wieso du nie hast von dir hören lassen. Sondern aus besonderem Anlass, stimmt’s?«
    »Nur ein vager Verdacht, Luke. Dachte, du kannst mir vielleicht weiterhelfen.«
    »Also, dann lass mal hören.«
    Tanny Brown holte tief Luft und fragte: »Ungelöste Fälle von verschwundenen Personen. Morde. Letztes Jahr. Kinder, Jugendliche, Mädchen. Und schwarz. Hattet ihr solche Fälle?«
    Am anderen Ende herrschte betretenes, beklemmendes Schweigen.
    »Tanny, wieso gerade jetzt diese Frage?«
    »Ich wollte nur …«
    »Tanny, klare Antwort: Wieso rufst du mich gerade jetzt deswegen an?«
    »Luke, im Moment ist das wirklich nur ein Schuss ins Blaue, ich hab bei einer Sache ein mulmiges Gefühl und stochere im Dunkeln.«
    »Da hast du beim Stochern was Solides aufgespießt, mein Junge.«
    Brown erstarrte innerlich. »Nämlich?«, fragte er leise.
    Er merkte, dass die dröhnende Stimme am anderen Ende plötzlich gedrückt und angespannt wirkte, so als hätte nun jedes Wort mehr Gewicht.
    »Unbändiges Kind«, sagte Harris bedächtig. »Alexandra Jones. Dreizehn Jahre alt. Einerseits noch acht, andererseits schon achtzehn. Du kennst den Typ. Eben noch ist sie das reizende, wohlerzogene Mädchen von nebenan, kommt zu uns nach Hause als Babysitterin, wenig später steht sie mit einer Zigarette im Mund vor dem Laden um die Ecke – ganz Dame von Welt.«
    »Klingt ganz wie meine eigenen Töchter«, rutschte es Brown heraus.
    »Nein, deine Mädel haben einen Rückhalt, das ging der Kleinen ab. Na, jedenfalls hat sie rebelliert, die Wilde gespielt. Läuft das erste Mal von zu Hause weg, und ihr Daddy findet sie ein paar Meilen die Straße entlang mit einem kleinen Köfferchen in der Hand. Daddy ist einer meiner Streifenpolizisten, deshalb wissen wir alle davon. Ist zwei Mal ausgebüxt, das nächste Mal finden wir sie kurz vor Lauderdale, auf der Alligator Alley, wo sie sich per Anhalter von Lkw-Fahrern mitnehmen lässt. Ein Staatspolizist entdeckt sie, und sie bringen sie heim. Das dritte Mal ist inzwischen drei Monate her. Ihre Momma und ihr Daddy fahren los, klappern jede Straße ab, um sie zu finden. Diesmal schätzen sie, dass die Kleine Richtung Norden los ist, nach Georgia, wo sie Verwandte haben, eine Cousine, mit der die Kleine sich besonders gut versteht. Wir setzen eine Großfahndung in Gang, Flugblätter, na ja, du kennst das ja, das ganze Programm. Nur dass sie nie in Georgia auftaucht. Auch nicht in Lauderdale oder Miami oder Orlando oder sonst wo. Stattdessen taucht sie im Sumpf von Big Cypress auf, vor drei Wochen, ein paar Jäger haben sie gefunden. Das heißt, sie haben gefunden, was von ihr noch übrig war, bis auf die Knochen von kleinen Tierchen und Vögeln abgenagt. Kein schöner Anblick. Konnten sie nur anhand des Zahnstatus identifizieren. Todesursache? Zahlreiche Stichwunden, meint der Gerichtsmediziner, aber nur, weil sie an einigen Knochen Kerben und

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