Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Scharten hat. Nicht mal das ist eindeutig. Und nirgendwo waren ihre Kleider zu finden. Die muss der Mörder woanders versteckt haben. Aber man muss kein Genie sein, um sich vorzustellen, was mit dem Mädel passiert ist, oder? Umso schwerer zu klären, wer die Kleine auf dem Gewissen hat.«
Brown sagte nichts. Am anderen Ende der Leitung war ein tiefer Seufzer zu hören.
»Den Fall werden wir nicht lösen, so viel steht mal fest. Soll ich dir sagen, wie viele Einvernahmen wir zu dem Fall hatten, Tanny? Über dreihundert. Und zwar allein ich und mein Chef hier im Dezernat, Henry Lincoln, ihr kennt euch ja. Darüber hinaus haben sich auch noch ein paar Jungs vom Bezirkspräsidium eingeschaltet. Hat alles nichts gebracht. Keine Zeugen, weil keiner gesehen hat, wie sie auf der Straße jemand aufgegabelt hat. Keine forensischen Daten, so wenig, wie von ihr übrig ist. Keine Tatverdächtigen, obwohl wir sämtliche Burschen in der Verbrecherdatei unter die Lupe genommen und uns alle einschlägigen Bekannten zur Brust genommen haben. Rein gar nichts. Unterm Strich können wir nur noch ihrer Familie beistehen, den Leuten begreiflich machen, wieso wir den Kerl nicht zu fassen bekommen. Vielleicht geh ich jetzt häufiger in die Kirche und versuch’s mit Beten. Und soll ich dir sagen, worum ich bete, Tanny?«
»Nein«, antwortete Brown heiser.
»Tanny, ich bete nicht darum, dass wir den Kerl erwischen. Nein, denn ich glaub, dass nicht mal der Allmächtige in der Lage ist, den Fall zu knacken. Ich bete nur, dass der Kerl, der das getan hat, nur das eine Mal nach Eatonville gekommen ist und dann irgendwo anders hin, in irgendeine andere Stadt geht, wo ihn jemand sieht und wo sie in null Komma nix Forensikexperten hinbeordern können und all den neuen, wissenschaftlichen Kram zur Verfügung haben und wo er vielleicht einen Fehler macht und auffliegt. Darum bete ich.«
Harris schwieg kurz. »Weil es nicht schwer ist, sich vorzustellen, dass die Kleine Schreckliches durchgemacht hat. Entsetzliche Qualen, Tanny. Und die fürchterlichste Angst, die man sich gar nicht ausmalen will.«
Wieder blieb er einen Moment ruhig. »Und dann rufst du auf einmal an und stellst mir aus heiterem Himmel diese Frage, und da wüsste ich doch zu gerne, was ihr auf dem Schreibtisch habt, dass du bei mir auf den Busch klopfst.«
Auf beiden Seiten der Leitung herrschte Schweigen.
»Du hast das mit dem Burschen mitbekommen, den sie aus dem Todestrakt entlassen haben?«, fragte Brown.
»Klar. Robert Earl Ferguson.«
»Ist der je in Eatonville gewesen?«
Lucious Harris verschlug es einen Moment die Sprache. Brown hörte, wie der schwere Mann nach Luft schnappte, bevor er antwortete: »Ich dachte, der wär unschuldig. Hieß es jedenfalls in der Zeitung und in den Nachrichten.«
»Ist der je in Eatonville gewesen? So um die Zeit, als das Mädchen verschwand?«
»Der war hier«, antwortete Harris langsam.
Brown konnte ein Stöhnen kaum unterdrücken. Er merkte, wie er die Lippen zusammenpresste. »Wann?«
»Nicht direkt in der Zeit. Vielleicht drei, vier Monate, bevor die kleine Alexandra verschwand. Hat in einer Kirche gesprochen. Mann, ich hab ihn mir selber angehört, war ganz interessant, der Bursche. Hat davon gesprochen, wie Jesus an deiner Seite ist und dich ins Licht führt, egal, wie trostlos die Welt einem erscheint.«
»Und wie lange …«
»Ist ein paar Tage geblieben, vielleicht über Samstag, Sonntag, dann ist er weg. An irgendeine Uni, hab ich gehört. Glaub nicht, dass er hier war, als Alexandra Jones weggelaufen ist. Werd mal die Hotels und Motels überprüfen, aber keine Ahnung. Schon möglich, dass er wiedergekommen ist. Aber wieso glaubst du …«
Brown beugte sich tief über den Schreibtisch und merkte, wie seine Schläfen pochten. »Bitte überprüf das für mich, Luke, stelle fest, ob er in den Tagen, als das Mädel verschwand, in der Gegend gewesen ist.«
»Ich seh, was ich machen kann. Wird nur nicht viel bringen, schätze ich. Willst du damit sagen, dass der doch nicht unschuldig ist?«
»Ich sage gar nichts. Hör dich einfach um, okay?«
»Kein Problem, Tanny. Und danach sollten wir beide uns vielleicht mal unterhalten, mir gefällt nämlich nicht, was ich da zwischen den Zeilen höre, mein Freund.«
»Mir auch nicht«, erwiderte Brown. Dann legte er auf.
21
Welch ein Zusammenspiel …
A ndrea Shaeffer traf erst spät in ihrem Motelzimmer ein. Sie drehte den Schlüssel zwei Mal um, sah im Bad, in dem kleinen
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