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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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brauche Ihre Hilfe.«
    »Nun, dazu kommen wir noch.« Cowart war nicht sicher, welche Rolle er bei diesem Interview spielen sollte. Er wusste, dass er ein gesundes Maß an professioneller Distanz wahren wollte, aber er konnte dieses Maß schwer bestimmen. Er hatte sich einige Gedanken darüber gemacht, wie er mit dem Gefangenen umgehen sollte, ohne zu einem Schluss zu kommen. Bei dem Gedanken, dass er hier in einem Gefängnis voller Männer, die grauenhafte Dinge getan hatten, jemandem gegenübersaß, der wegen Mordes verurteilt war und versuchte, cool zu wirken, kam er sich ein wenig albern vor.
    »Wie wär’s, wenn Sie mir zunächst mal ein bisschen über sich erzählen würden? Zum Beispiel, wieso jemand aus Pachoula akzentfrei spricht?«
    Wieder musste Ferguson lachen. »Können Sie haben, wenn Sie wollen. Ich meine, wenn Sie darauf bestehen, kann ich wie der trägste alte schwarze Hinterwäldler reden, den Sie je gesehen haben …« Dabei ließ er sich zurücksacken und ahmte die Sprechweise eines alten Mannes in einem Schaukelstuhl nach. Die langgezogenen Vokale und der behäbige Rhythmus seiner Sprache zog wie ein angenehmer Duft durch die stickige Luft des kleinen Raums. Dann schoss er plötzlich nach vorn und wechselte den Akzent. »Yo, Mann, ’sch kann auch wie’n Bro von der Straße, quatsch mich nich voll, Digger, ja? Guck auf’n Boden, ja? Guck mich nich an, ja?« Auch diese Einlage war schnell vorbei, und schon saß wieder der alerte, ernste Mann vor ihm, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, und sprach in normalem, ruhigem Ton. »Und ich kann genauso klingen wie eben, wie jemand, der auf dem College war und studieren wollte, um dann Karriere zu machen. Weil ich auch das gewesen bin.«
    Cowart war von der Wandlungsfähigkeit des Mannes verblüfft, die sich nicht auf einfache Wechsel in Akzent und Tonfall beschränkte, sondern von der passenden Gestik und Mimik unterstrichen wurde, so dass Robert Earl Ferguson das, was er sagte, für den Moment verkörperte. »Ich bin beeindruckt«, gestand Cowart. »Sie haben offenbar ein gutes Ohr.«
    Ferguson nickte. »Diese drei Sprechweisen spiegeln jeweils eine Station in meinem Leben wider. Ich bin in Newark, New Jersey, geboren. Meine Mom war Putzfrau. Sie ist jeden Tag um sechs Uhr früh mit dem Bus in die weißen Vorstadtviertel gefahren und kam spät abends zurück. Tagein, tagaus hat sie in den Häusern der Weißen geputzt. Mein Daddy war bei der Army und hat sich verdrückt, als ich drei oder vier war. Sie waren sowieso nicht verheiratet. Als ich sieben war, starb meine Mom. Herzprobleme, hieß es, aber Genaueres habe ich nie erfahren. Sie bekam eines Tages plötzlich schwer Luft, schleppte sich zum nächsten Krankenhaus, und wir haben sie nie wiedergesehen. Sie haben mich zu meiner Großmutter nach Pachoula geschickt. Sie können sich nicht vorstellen, was das für ein kleines Kind bedeutet, aus dem Ghetto rauszukommen, in eine Gegend mit Bäumen, Flüssen und sauberer Luft. Für mich war es das Paradies, auch ohne Toilette im Haus. Das waren die besten Jahre meines Lebens. Ich bin zu Fuß zur Schule gegangen, hab nachts bei Kerzenlicht gelesen. Wir haben Fisch gegessen, den ich selbst gefangen hatte – wie in ein anderes Jahrhundert zurückversetzt. Ich dachte, da würde ich für immer bleiben, bis meine Großmutter krank wurde. Sie fürchtete, sich nicht mehr um mich kümmern zu können, und deshalb wurde ich nach Newark zurückgeschickt, zu meiner Tante und ihrem neuen Mann. Da hab ich die Highschool abgeschlossen und bin aufs College gegangen. Aber sooft ich konnte, hab ich meine Großmutter besucht. Bin mit dem Nachtbus von Newark nach Atlanta runtergefahren, von da bis Mobile weiter und schließlich mit dem Bus nach Pachoula. Ich konnte mit der Großstadt nichts anfangen; war wohl immer eher ein Landei. In Newark hab ich mich nicht besonders wohlgefühlt.«
    Ferguson schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht zu einem vagen Lächeln. »Diese endlosen Busfahrten«, sagte er leise. »Damit ging der ganze Ärger für mich los.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Ferguson schüttelte weiter den Kopf. »Wenn ich endlich ankam, hatte ich fast dreißig Stunden hinter mir: erst auf der Schnellstraße, dann mitten durch jedes Kaff, das auf der Route lag, jede Menge Nebenstraßen. Von dem ewigen Geholper war mir immer ein wenig übel, ich musste aufs Klo, und ich war eingepfercht zwischen Leuten, die dringend ein Bad gebraucht hätten. Arme Leute, die sich keinen

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