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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Mitinsasse im Todestrakt hat mich drauf aufmerksam gemacht. Kann außerdem nicht schaden, dass Sie beim größten und einflussreichsten Blatt im Bundesstaat arbeiten.«
    »Wieso haben Sie nicht früher Kontakt mit mir aufgenommen?«
    »Na ja, ehrlich gesagt ging ich davon aus, dass das Berufungsgericht meine Verurteilung in der Luft zerfetzen würde. Als es anders kam, hab ich mir einen neuen Anwalt gesucht – das heißt, ich bekam einen neuen Anwalt – und bin die Sache offensiver angegangen. Wissen Sie, Mr. Cowart, selbst als ich schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt wurde, ging es mir irgendwie trotzdem nicht in den Schädel, dass all das tatsächlich mir passierte. Es fühlte sich so unwirklich an, wie ein böser Traum. Als würde ich jeden Moment aufwachen und wäre wieder am College. Oder jemand würde kommen und sagen: ›He, aufhören! Das Ganze ist ein gewaltiges Missverständnis …‹ Ich blickte nicht durch, ich wusste nicht, dass man hart kämpfen muss, um sein Leben zu retten. Man kann sich nicht einfach darauf verlassen, dass unser Rechtssystem das für einen tut.«
    Da haben wir das erste Zitat für meine Reportage, dachte Cowart.
    Der Gefangene beugte sich vor, legte die Hände auf den Tisch, lehnte sich ebenso schnell zurück und unterstrich das, was er sagte, mit kurzen, präzisen Bewegungen. Er hatte eine leise, doch feste Stimme, die mühelos vermittelte, von welcher Tragweite seine Worte waren. Während er sprach, beugte er sich wie unter dem Druck seiner Überzeugungen nach vorne. Die Geste zeigte unmittelbar Wirkung: Sie ließ das Zimmer schrumpfen, in dem sie saßen, so dass nur noch der Raum zwischen dem Reporter und dem Häftling übrig blieb, und erfüllte diese Arena mit einer knisternden Energie.
    »Ich dachte, es würde genügen, einfach nur unschuldig zu sein. Ich dachte, so funktionierte das, und ich dachte, ich brauchte nichts weiter zu tun. Als ich dann hierherkam, wurde ich eines Besseren belehrt – das war die praktische Schulung.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na ja, die Männer im Todestrakt haben ihre eigene, informelle Art, Informationen auszutauschen über Anwälte, Berufungen, Gnadengesuche, so was in der Art. Wissen Sie, da drüben …«, er deutete auf die Hauptgebäude der Haftanstalt, »denken die Verurteilten daran, was sie nach ihrer Entlassung machen werden. Oder sie denken vielleicht an Flucht. Vielleicht denken sie auch darüber nach, wie sie sich, während sie ihre Strafe verbüßen, die Zeit im Knast so erträglich wie möglich machen können. Die genießen den Luxus, von etwas zu träumen, von einer Zukunft, selbst einer Zukunft hinter Gittern. Sie können immer von der Freiheit träumen, und ihr größter Vorteil ist die Ungewissheit. Die wissen nicht, was das Leben noch für sie bereithält.
    Bei uns hier ist das anders. Wir wissen, wie wir enden. Wir wissen, dass der Staat uns eines Tages zweitausendfünfhundert Volt in den Kopf jagt. Wir wissen, dass wir noch fünf, allenfalls zehn Jahre haben. Es ist, als hätte man die ganze Zeit ein schreckliches Gewicht um den Hals hängen, und man setzt alles daran, sich davon nicht runterziehen zu lassen. Jede Minute, die vergeht, fragt man sich: Habe ich diese Zeit vergeudet? Jeden Abend denkt man: Schon wieder ein Tag rum. Jeden Morgen wird einem bewusst, dass man eine weitere Nacht streichen kann. Dieses Zentnergewicht, das einem um den Hals hängt, das ist die Summe all der Momente, die gerade vergangen sind. All die Hoffnungen, die einfach so schwinden.«
    Einen Moment lang schwiegen sie beide. Cowart hörte sich selbst keuchen, als wäre er gerade eine Treppe hochgestiegen. »Sie klingen wie ein Philosoph.«
    »Das trifft auf alle Männer im Todestrakt zu. Selbst die Irren, die unentwegt zetern und schreien. Oder die geistig Zurückgebliebenen, die kaum mitbekommen, was mit ihnen geschieht. Aber dieses Gewicht, das kennen sie alle. Allenfalls hören sich diejenigen von uns, die ein bisschen Schulbildung abbekommen haben, etwas besser an.«
    »Dann haben Sie sich hier verändert?«
    »Wer würde das nicht?«
    Cowart nickte.
    »Als meine erste Berufung abgewiesen wurde, haben mir ein paar von den anderen, ein paar von denen, die schon fünf, acht oder auch zehn Jahre hier sind, zugeredet, um meine Zukunft zu kämpfen. Ich bin noch jung, Mr. Cowart, und ich will nicht, dass es für mich hier endet. Also habe ich dafür gesorgt, dass ich einen besseren Anwalt bekomme, und ich habe Ihnen geschrieben. Ich

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