Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Telefonbüchern?«
»Alter Trick«, sagte Brown in gedrücktem und inzwischen ruhigerem Ton. »Nein, was auch immer Mr. Ferguson Ihnen erzählt haben mag.«
Zum ersten Mal wandte der Lieutenant sich ab und sah aus dem Fenster. Nach einer Weile sagte er: »Mr. Cowart, ich glaube, ich kann Ihnen das nicht begreiflich machen. Der Tod dieses kleinen Mädchens ist uns einfach unter die Haut gegangen. Bis heute. In gewisser Hinsicht war es für uns mit am schlimmsten. Wir mussten es schaffen, in dieser schrecklich emotional aufgeladenen Situation genügend Material für eine Anklage zusammenzutragen. Wir haben uns verbogen. Wir waren keine bösartigen oder schlechten Menschen. Wir wollten nur, dass dieser Mörder hinter Gitter kommt. Ich hab damals drei Tage lang nicht geschlafen. Keiner von uns. Aber wir hatten ihn, und da sitzt dieser Kerl vor uns und grinst uns ins Gesicht, als könnte er kein Wässerchen trüben. Ich kann’s Bruce Wilcox nicht einmal verübeln, dass er ein bisschen durchgedreht ist. Ich denke, wir waren alle am Rande unserer Kräfte. Und selbst, als wir das Geständnis hatten – Sie haben natürlich recht, das war nicht gerade nach dem Lehrbuch, es war einfach nur das Beste, was wir aus diesem maulfaulen Mistkerl rausbekommen konnten –, stand die Anklage auf tönernen Füßen. Diese Verurteilung hängt an einem seidenen Faden, das wissen wir so gut wie Sie. Und jetzt kommen Sie daher und stellen alle diese Fragen, und jede dieser Fragen dröselt diesen Faden ein bisschen auf, und wir schnappen ein wenig über. So. Das ist meine Entschuldigung für meinen Kollegen. Und dafür, dass ich Sie zu den Shrivers geschickt habe. Ich will nicht, dass diese Verurteilung nichtig wird. Und am allerwenigsten will ich, dass dieser Mensch wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Ich könnte der Familie nicht unter die Augen treten. Ich könnte meiner eigenen Familie nicht unter die Augen treten. Ich könnte nicht mehr in den Spiegel sehen. Ich will, dass dieser Mann für das, was er getan hat, stirbt.«
Der Lieutenant endete und wartete auf Cowarts Antwort. Für einen Moment fühlte sich der Reporter überlegen, und so beschloss er, seinen Vorteil zu nutzen. »Wie steht Ihre Wache dazu, Waffen ins Vernehmungszimmer mitzunehmen?«
»Klare Antwort: verboten. Fragen Sie den diensthabenden Sergeant. Das weiß jeder Polizist. Wieso?«
»Würden Sie vielleicht einen Moment aufstehen?«
Brown zuckte die Achseln und erhob sich.
»Und jetzt würde ich gerne mal einen Blick auf Ihre Knöchel werfen.«
Brown schien überrascht und zögerte. »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Tun Sie mir bitte den Gefallen, Lieutenant.«
Brown starrte ihn verärgert an. »Sind Sie darauf aus?« Er hob das Bein, stellte den Schuh auf den Schreibtisch und zog gleichzeitig die Hose ein Stück hoch. In einem kleinen, an seiner Wade festgeschnallten Knöchelholster steckte eine kurzläufige Pistole Kaliber .38.
Der Lieutenant ließ das Hosenbein herunter.
»Und Sie haben nicht zufällig mit dieser Waffe auf Ferguson gezielt und ihm gedroht, ihn umzubringen, falls er den Mord nicht gesteht?«
»Nein, selbstverständlich nicht«, sagte der Detective empört.
»Und Sie haben auch nie mit einer leeren Trommel abgedrückt?«
»Nein.«
»Wenn Sie ihm diese Waffe nicht gezeigt haben, wie hätte er dann davon wissen können?«
Mit eisigem Blick starrte Brown Cowart über den Schreibtisch hinweg an. »Dieses Gespräch ist beendet«, sagte er und zeigte auf die Tür.
»Da irren Sie«, entgegnete Cowart, während er aufstand, »das ist erst der Anfang.«
5
Erneut im Todestrakt
W ie der Scharfschütze, der sich so auf seine Zielperson konzentriert, dass alles, was außerhalb seines Fokus liegt, aus seinem Blickfeld schwindet, so gelangt auch der Reporter an einen Punkt, an dem alle anderen Belange in den Hintergrund treten, während die Story, die er erzählen will, in seiner Phantasie Gestalt annimmt. Dabei treten auch die Lücken in der Argumentation zutage, die Leerstellen in der Geschichte, die durch weitere Informationen präzisiert werden müssen, um zu überzeugen.
Matthew Cowart hatte dieses Stadium erreicht.
Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf der Linoleumplatte des Tischs, während er darauf wartete, dass Sergeant Rogers Ferguson ins Vernehmungszimmer brachte. Seine Fahrt nach Pachoula hatte ihn beflügelt, hatte ihm eine Fülle von Antworten beschert, aber ebenso viele neue Fragen aufgeworfen, die ihm unter den Nägeln
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