Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
brannten. Von dem Moment an, als Tanny Brown wütend eingeräumt hatte, dass Ferguson von Wilcox geohrfeigt worden war, hatte er die Reportage halb fertig im Kopf. Dieses kleine Geständnis hatte ihm die Augen für ein ganzes Lügengespinst geöffnet. Auch wenn Matthew Cowart nicht wusste, was genau zwischen den beiden Detectives und ihrer Beute vorgefallen war, zweifelte er nicht, dass es genügend Fragen, genügend Ungereimtheiten gab, die seinen Artikel rechtfertigten und vermutlich auch zur Wiederaufnahme des Verfahrens reichten. Jetzt richtete sich sein ganzer Reporterinstinkt auf das zweite Element. Wenn Ferguson das kleine Mädchen nicht umgebracht hatte, wer dann? Als Ferguson mit einer nicht angezündeten Zigarette im Mund und einem Stapel Ordner unter dem Arm den Raum betrat, musste sich Cowart zur Ruhe ermahnen.
Die beiden Männer schüttelten sich die Hand, und Cowart sah zu, wie Ferguson es sich ihm gegenüber bequem machte. »Ich warte dann draußen«, sagte der Sergeant, bevor er den Journalisten mit dem Häftling einschloss. Das Klicken eines Bolzenschlosses war nicht zu überhören. Der Gefangene lächelte – kein freudiges, sondern eher ein selbstgefälliges Lächeln, und als er dieses Grinsen gegen die kalte Wut abwog, die er in Tanny Browns Augen gesehen hatte, spürte Cowart, wie er einen Moment schwankte. Dann war das Gefühl verflogen, und Ferguson ließ seine Unterlagen auf den Tisch fallen.
»Ich wusste, dass Sie wiederkommen würden«, sagte der Häftling. »Ich wusste, was Sie dort finden würden.«
»Und das wäre?«
»Dass ich die Wahrheit gesagt habe.«
Cowart überlegte einen Moment und beschloss, der Siegesgewissheit des Häftlings einen kleinen Dämpfer zu verpassen. »Ich habe herausgefunden, dass einiges von dem, was Sie gesagt haben, der Wahrheit entspricht.«
Ferguson reagierte gereizt. »Was soll das heißen? Haben Sie nicht mit diesen Cops gesprochen? Haben Sie diese Stadt mit ihren hinterwäldlerischen Proleten nicht gesehen? Haben Sie nicht gemerkt, wie die Leute da ticken?«
»Bei einem von diesen hinterwäldlerischen Polizisten handelt es sich um einen Schwarzen. Das vergaßen Sie zu erwähnen.«
»Und Sie meinen, nur weil er dieselbe Hautfarbe hat wie ich, hätte ich von ihm nichts zu befürchten? Sie meinen, der ist automatisch mein Bruder und nicht genauso ein Rassist wie dieser Giftzwerg, sein Partner? Ist Ihnen wirklich entgangen, Mr. Reporter, dass Tanny Brown schlimmer ist als der übelste weiße Cop, den Sie sich vorstellen können? Gegen den sind all die anderen Bluthunde, all die anderen Südstaaten-Cops Waisenknaben. Der ist weiß bis ins Mark, und das Einzige, was er mehr hasst als sich selbst, sind Leute, die seine Hautfarbe haben. Hören Sie sich mal in Pachoula um. Fragen Sie die Leute, wer da der schärfste Hund ist, und Sie würden nichts anderes zu hören bekommen, als was ich Ihnen sage – dieser verdammte Cop.« Ferguson war aufgesprungen. Er lief in dem kleinen Zimmer hin und her und schlug im Takt zu seiner Tirade mit der Faust in die offene Hand. »Haben Sie nicht mit diesem alten Säufer geredet, diesem Anwalt, der mich seelenruhig ins Messer laufen ließ?«
»Ja, hab ich.«
»Und mit meiner Großmutter?«
»Ja.«
»Und sind Sie die Anklageschrift durchgegangen?«
»Ich habe gesehen, dass sie nicht viel in der Hand hatten.«
»Dann ist Ihnen sicher auch nicht entgangen, wieso sie dieses Geständnis brauchten?«
»Ja.«
»Haben Sie die kleine Pistole nicht gesehen?«
»Doch.«
»Haben Sie dieses Geständnis nicht gelesen?«
»Hab ich.«
»Sie haben mich geschlagen, diese Mistkerle.«
»Sie geben zu, Sie ein, zwei Mal geohrfeigt zu haben …«
»Ein, zwei Mal! Das wird ja immer schöner. Ein paar Streicheleinheiten, ja? Ihnen ist die Hand ausgerutscht, war nicht so gemeint … die würden doch niemanden schlagen!«
»Das wollten sie mir, glaube ich, sagen.«
»Mistkerle!«
»Beruhigen Sie sich …«
»Beruhigen! Diese Lügner sitzen da seelenruhig in ihrem Sessel und erzählen das Blaue vom Himmel herunter. Ich dagegen starre nur an die Wände und warte auf den Stuhl.«
Ferguson war laut geworden, und er hatte schon den Mund geöffnet, um noch etwas zu sagen, doch dann beherrschte er sich und blieb mitten im Raum wie angewurzelt stehen. Er sah Cowart an, rang um Fassung. Seine nächsten Worte wählte er mit Bedacht.
»Wussten Sie, Mr. Cowart, dass wir bis heute Morgen nicht aus den Zellen durften? Wir hatten einen Lockdown.
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