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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Abends entschwanden.
    Ein Streifenwagen der Polizei Miami Beach wühlte sich langsam durch den Verkehr. Simon Winter fühlte sich plötzlich an eine Zeit erinnert, in der er in den oberen Keys im seichten Wasser zum Fliegenfischen ging.
    Bei einer solchen Gelegenheit hatte er die Angelrute gerade nach Grätenfischen ausgeworfen, als er die Silhouette eines einsamen Fischadlers erspähte, der am Himmel gemächlich seine Kreise zog und sich von den Strömungen und warmen Aufwinden tragen ließ. Er hatte schnell erkannt, dass der Vogel nicht wirklich auf der Jagd war. Seine Suche war träge, dafür opportunistisch: Kaum hatte er eine Stachelmakrele ausgemacht, die zu dicht unter der Oberfläche schwamm, hob er die Flügel und stürzte sich mit ausgestreckten Fängen und lautem Klatschen in die leichte Dünung, um im nächsten Moment wieder in die heiße Luft aufzusteigen und mit den weißen Flügeln eine silbrige Fontäne zu hinterlassen. Er hatte ebenso wenig Glück beim Fischen wie ich an jenem Tag, aber dennoch schien er sich, nachdem bis gegen Abend kein einziger Fisch mehr aufgetaucht war, in sein Geschick zu fügen und weiter seine anmutigen Kreise zu ziehen, als sei er ein Teil des Himmels selbst.
    Es ist lange her, seit ich mit einer Angelrute am Wasser gestanden habe, rief sich Simon Winter ins Gedächtnis. Vielleicht zehn Jahre. Er versuchte, sich daran zu erinnern, weshalb er es aufgegeben hatte, doch ihm fiel kein Grund ein. Es kam ihm so vor, als hätte er mit all den Dingen aufgehört, die ihm früher einmal sagten, wer er war, und so hielt er es immerhin für möglich, dass er nicht noch einmal in Versuchung käme, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen, wenn er all das wiederaufnahm.
    Seine Füße tappten auf dem staubigen Bürgersteig. Er ließ den Vogel in seiner Erinnerung verblassen und wandte sich dem Mann zu, der im Namen seiner Frau den letzten Buchstaben ausgelassen hatte.
    Ich weiß, wer dich umgebracht hat, Herman Stein.
    Du warst klüger, als er dachte, nicht wahr? Obwohl du schreckliche Angst hattest und wusstest, dass du sterben würdest, warst du immer noch clever genug, um eine Botschaft zu hinterlassen. Das fehlende h. Es hat zwar lange gedauert, bis jemand begriffen hat, was du sagen wolltest, aber jetzt weiß ich es.
    Simon Winter konzentrierte sich auf Herman Steins Tod und versuchte, sich von dem, was geschehen war, ein Bild zu machen. In all den Jahren, in denen er mit Leichen konfontiert gewesen war, hatte er diese einfache, doch wirkungsvolle Technik, zur Kunst erhoben. Stelle dir das, was geschehen ist, so plastisch vor wie einen Film, dann ergibt sich eine Möglichkeit, den Mann zu finden, der es getan hat.
    Also gut, die erste Frage: Zutritt – wie ist er in die Wohnung gelangt?
    Durch die Eingangstür. Hast du ihm aufgemacht? Nein, das hättest du nie getan. Du warst alt, warst durcheinander und hattest Angst. Du hättest nicht aufgemacht, ohne vorher durch den Spion zu sehen. Wie also dann? Über den Flur. Verlief dein Alltag wie bei so vielen alten Leuten in festen, geregelten Bahnen? Du warst ein Mann der Präzision, Herman Stein. Bist du jeden Morgen zum Frühstück ins Deli an der Ecke gegangen und genau zur selben Zeit zurückgekehrt, nachdem du genau dasselbe Bagel mit Streichkäse und Müsli zum Kaffee gegessen hattest Ja, das würde zu dir passen. Und so wäre es ein Leichtes gewesen, dir heimlich zu folgen, selbst wenn er wusste, dass du Angst hattest und vielleicht Vorsichtsmaßnahmen ergreifen würdest. Also brauchte er nichts weiter zu tun, als zu warten, bis du rausgehst, sich in den Flur zu schleichen und dir nach dem Frühstück aufzulauern. Gibt es eine Treppe? Einen Notausgang? Eine Besenkammer? Winter brauchte nicht einmal zum Haus des Toten zu gehen, um zu wissen, dass es dort irgendwo ein solches Versteck gab.
    Er atmete langsam aus. Ein wenig von der Angst, die Herman Stein empfunden hatte, beschlich ihn jetzt selbst.
    Du wusstest, dass er irgendwo da draußen herumlief, und du wusstest auch, dass es dir diesmal nichts nützen würde, deine Söhne oder deine Tochter anzurufen, nicht wahr? Es war immer dasselbe. Jedes Mal, wenn du vom Schattenmann sprachst, haben sie dir eingeredet, es sei nichts. Wie der kleine Junge, der blinden Alarm schlug, wusstest du, dass sie dir nicht glauben würden, obwohl es diesmal anders war und du bis ins Mark erschrocken warst. Also hast du dem Rabbi einen Brief geschrieben.
    Weil du vollkommen allein dem Tod

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