Der Täter / Psychothriller
Würgereiz und ließ sich erschöpft nach hinten fallen. »Ist ja nichts mehr zu holen«, flüsterte er. Ein intravenöser Schlauch, der von einem Ständer in seinen Arm hinunterführte, klirrte leise am Metall. Martinez sah einen Moment weg und nahm die nüchterne Umgebung des kleinen Zimmers in sich auf. Weißgetünchte Wände. Ein graues Stahlgitter vor einem schmutzstarrenden Fenster, das selbst die Sonne nur grau verfleckt hereinließ. Ein zweckdienliches Krankenbett, ein Nachttisch. Ein Pappbecher und ein billiger Plastikkrug mit Wasser. So öde wie die Gefängniszelle, die ihn kaum einen Block weiter erwartete.
Alter sah den jungen Arzt, der das Patientenblatt wieder ans Fußende legte, irritiert an. »Ich glaube, er könnte was vertragen«, meinte der Strafverteidiger.
Der Mediziner sah auf. »Sie sind der Anwalt, richtig?«
»Richtig.«
»Nun, dann beschränken Sie sich auf den juristischen Kram«, entgegnete er leise. Er sah Espy Martinez an. »Mein Schwager ist Cop«, teilte er ihr mit. Er zeigte mit dem Daumen auf Leroy Jefferson. »Er ist okay. Sein Bein macht ihm höllische Schmerzen, und er ist auf Entzug. Deshalb ist ihm zum Kotzen übel, und jedes Mal, wenn er sich zu diesem Eimer rüberbeugt, muss es sich anfühlen, als ob ihm jemand ein Messer in dieses Knie bohrt und es darin dreht. Aber das bringt ihn nicht um. Es macht ihn nur nicht glücklich. Ihn glücklich zu machen ist auch nicht mein Job; nur, ihn am Leben zu halten.« Damit schritt der Arzt an ihr vorbei und war zur Tür hinaus.
Leroy Jefferson ballte die Hände zu Fäusten. »Wegen Ihnen werde ich nie wieder normal laufen«, warf er ihr vor.
Sie schüttelte den Kopf. »Bricht mir das Herz«, erwiderte sie. »Ich hab ›Keine Bewegung‹ gesagt, aber stattdessen haben Sie auf mich geschossen. Selbst schuld.«
Leroy Jefferson sah sie wieder finster an und wollte etwas entgegnen, wurde jedoch von Thomas Alter unterbrochen.
»Das ist nicht Sinn und Zweck dieses Treffens«, sagte der Pflichtverteidiger.
»Richtig«, erwiderte Martinez. »Zweck dieser Unterredung ist es, mir einen Eindruck zu verschaffen, ob dieser Angeklagte die Fähigkeit besitzt, die Wahrheit zu sagen, was ich im Moment eher bezweifle.«
Alter machte eine theatralische Geste wie ein überspannter Schauspieler bei einer Dinner-Theatervorstellung. »Dann nehmen Sie ihn mit. Stellen Sie ihn vor Gericht. Tun Sie, was Sie für richtig halten, aber vergessen Sie, dass er Ihnen hilft, und es sieht mir doch sehr danach aus, dass Sie seine Hilfe bitter nötig haben.«
Espy Martinez riss sich zusammen und sprach ruhig. »Hören Sie, der Lügendetektortest wirkt überzeugend, hat aber keine Beweiskraft …«
»Wollen Sie einen Unschuldigen einbuchten?«, warf Leroy Jefferson aggressiv ein. Sie ignorierte ihn.
»Was ist mit dem Fingerabdruck?«, fragte Alter. »Da kommen Sie nicht drum herum.«
Sie beantwortete die Frage nicht, sondern stellte stattdessen fest: »Mag ja sein, dass es nicht seine Hände um Sophies Hals gewesen sind, aber die Beweise, dass er in ihrem Zimmer war und Gegenstände gestohlen hat, sind erdrückend. Vielleicht hat er ja einen Komplizen gehabt. Vielleicht waren sie zu zweit da drin. Dann wäre er immer noch an einer schweren Straftat in Tateinheit mit Mord beteiligt.« Sie sah zu Jefferson hinüber. »Das Strafmaß dafür, falls Sie es noch nicht wussten, ist der Stuhl.«
»Scheiße«, knurrte Jefferson. »Ich hab keinen ermordet und hatte auch keinen dabei.«
Alter funkelte seinen Mandanten an und sagte: »Halten Sie einfach die Klappe und lassen Sie mich mit der Staatsanwältin reden.« Und an Espy Martinez gewandt: »Was schlagen Sie vor?«
»Ich schlage vor, dass Sie mir, bevor ich weitere Schritte unternehme, erst mal erklären, was Sie unter Hilfe verstehen. Verraten Sie mir, was Ihr Mandant an Beweisen im Köcher hat.«
»Nicht ohne Garantie.«
»Was für eine Garantie?«
»Dass wir zu einer Absprache kommen. Keine Haftstrafe.«
»Vergessen Sie’s.«
»Dann können Sie mich mal. Finden Sie den Mörder dieser alten Frau ohne ihn.«
»Genau das werden wir tun.«
»Aber klar doch. Viel Glück. Schon den blassesten Schimmer, wer diesen fragmentarischen Abdruck an ihrer Kehle hinterlassen hat?«
»Darauf erwarten Sie doch wohl keine Antwort.«
»Nein, wirklich nicht«, entgegnete Alter mit einem entspannten Lächeln. Er drehte sich zu Leroy Jefferson um. »Sie halten gefälligst Ihren Mund, Leroy. Mit der Staatsanwaltschaft zu
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