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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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wiedererkennen, den sie vor fünfzig Jahren nur für Sekunden gesehen haben. Sie würden wissen, wie der Mann, der sie verfolgt, inzwischen aussieht. Das wäre ein Riesenvorteil. Er hätte nicht mehr alle Trümpfe in der Hand.«
    »Das stimmt«, pflichtete Mrs.Kroner bei. »Wir wären ihm nicht ganz so hilflos ausgeliefert.«
    »Und außerdem kommt mir da noch die eine oder andere Idee«, fügte Simon Winter hinzu.
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie denken«, meinte Walter Robinson. »Sie denken, es gibt nur eine einzige Sache, vor der dieser Mann Angst hat und die ihn zu einer Kurzschlusshandlung verleiten könnte: seine Anonymität zu verlieren, richtig?«
    Simon Winter nickte mit einem Lächeln. »Wir scheinen ähnlich zu denken.«
    »Und«, fuhr Robinson fort, »wenn wir diese Anonymität in Gefahr bringen können, dann schaffen wir vielleicht noch etwas anderes.«
    »Und das wäre?«, fragte Rabbi Rubinstein eifrig.
    Simon Winter antwortete eiskalt für sie beide. »Ihm eine Falle zu stellen.«

[home]
18
    Mit den Wölfen heulen
    D er Holzfäller wohnte in einem bescheidenen Vier-Zimmer-Haus in einer ruhigen Sackgasse eines Vorstadtviertels von Nord-Miami, wo an jedem zweiten Domizil ein Anhänger mit Motorboot stand, einer Gegend, in der man ein Wochenende ums andere von Barbecue zu Barbecue lebte. Es war sauber und gepflegt; hier investierten Polizisten und Feuerwehrleute, Beamte und Angestellte aus dem öffentlichen Dienst ihr sauer verdientes Geld in den sozialen Aufstieg, und diese soliden, einstöckigen Schlackensteinhäuser mit kleinem Swimmingpool im Garten waren der sinnfällige Beweis. Es gab weißgetünchte Flachdächer oder rote Dachpfannen. Jeder Rasen war gemäht, jede Hecke beschnitten. Die neuesten Modelle der Allrad-Geländewagen, mit denen sie die Motorboote zum drei, vier Meilen entfernten Wasser zogen, waren auf Hochglanz poliert und blitzten in der Mittagssonne.
    Als Walter Robinson auf der Suche nach der Hausnummer des Kollegen langsam die Straße entlangfuhr, bellte hier und da ein Hund. Er vermutete, dass die Tiere wegen seiner Hautfarbe anschlugen; in diesem Viertel gibt’s keine Schwarzen, dachte er. Nur die Mischung aus Weißen und Latinos, die im Dade County unvermeidlich ist. Die Schwarzen, die zur selben Mittelschicht wie der Holzfäller gehörten, blieben in ihren eigenen Vierteln unter sich. Dort gab es nicht ganz so viele schattenspendende Bäume oder Bücher in der Grundschulbibliothek, dafür ein paar braune Flecken mehr auf dem Rasen, und es war ein wenig schwerer, an Hypotheken heranzukommen. Diese Viertel lagen alle ein bisschen näher an Liberty City oder Overtown, ein wenig näher an den Randgebieten der Armut. Als er vor dem Haus des Holzfällers hielt, kam ihm ein seltsamer Gedanke: Ihm fielen all die frühen Entdecker ein, die in die Neue Welt aufgebrochen waren und ihre Angst überwunden hatten, dass die Erde eine Scheibe sei und sie mit ihren Booten plötzlich über den Rand kippen könnten. Solche historischen Kenntnisse verdankte er seiner Mutter, die den Lehrerberuf nicht selten auf die eigenen Kinder ausdehnte, wenn sie ihnen bei Tisch nicht gerade – wie so oft – geduldig, doch beharrlich Manieren beibrachte. Sie hatten sich geirrt, dachte er. Die Welt ist rund. Und auch wieder nicht: Die Ränder sind allerdings von Menschen gemacht, und es ist erschreckend leicht, ins Nichts zu kippen.
    Als er aus dem Wagen stieg, schlug ihm die Hitze wie eine ärgerliche Beschwerde entgegen. Die Zufahrt zur Haustür glühte, und über dem Zement flimmerte die Luft. An einer Seite des Hauses sah er eine Holzschaukel und davor eine kleine Ansammlung von Zwei- und Dreirädern ans Garagentor gelehnt. Auf der anderen Straßenseite mähte eine Frau um die vierzig in abgeschnittenen Jeans und Mickymaus-T-Shirt den Rasen. Als er ausstieg, hörte sie auf und stellte den Motor aus. Auf seinem Weg zum Eingang bohrte sich ihr Blick in seinen Rücken.
    Er klingelte und wartete, dann hörte er nach einer Weile eilige Schritte. Die Tür flog auf, und eine junge Frau spähte heraus. Sie trug weite, lange Shorts und ein Bikini-Oberteil; das dunkle Haar war streng zurückgesteckt. Auf ihrer Hüfte trug sie ein Baby. »Ja?«
    »Ich bin Detective Robinson. Könnte ich wohl Ihren Mann sprechen?«
    Sie zögerte und lächelte nicht. »Er hat immer noch Schmerzen«, sagte sie.
    »Ich muss ihn aber sprechen«, wiederholte Robinson.
    »Er braucht Ruhe«, flüsterte sie.
    Bevor er etwas erwidern

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