Der Täter / Psychothriller
nach ihm aus und streichelte ihn.
»Ich war gemein zu dir«, sagte sie. »Tut mir leid, Mr. Boots. Ich brauche nur dringend meinen Schlaf.« Er rollte sich neben ihr ein.
Sie schloss die Augen. Das war alles, was ihr Herz begehrte, dachte sie: einen einzigen, ruhigen Abend und erholsamen, traumlosen Schlaf.
Die Nacht klappte wie ein Deckel über Sophie Millstein zu. Selbst als nach einigen Stunden Mr.Boots plötzlich aufstand, einen Buckel machte und aus Protest gegen die brutalen, unmenschlichen Geräusche eines Eindringlings in instinktiver Abwehr fauchte und zischte, rührte sie sich nicht.
[home]
3
Der Buchhalter der Toten
E s war bereits neun Minuten nach Mitternacht und die Nummer drei der Miami Beach Notrufleitstelle entsprechend verärgert, dass ihre Schichtablösung sich zum dritten Mal in dieser Woche verspätete. Sie wusste, dass das kleine Kind von Nummer siebzehn mit Bronchitis im Bett lag, doch neun Minuten waren neun Minuten, und sie wollte nicht vollkommen unausgeschlafen sein, wenn ihr eigener Sohn sie wie fast jeden Morgen weckte, indem er sich in ihrem Haus in Carol City laut vernehmlich im Bad und in der Küche zu schaffen machte. Ein Vorteil, den Jugendliche genossen, erinnerte sie sich, war eine gewisse Unempfindlichkeit gegen Lärm. Also zählte sie die Minuten und rechnete die Verspätung von Nummer siebzehn zur Heimfahrt dazu: Miami Beach, dann die Dammstraße entlang, am Stadtzentrum vorbei und schließlich auf die Autobahn einen Bogen um Liberty City, bis sie endlich das kleine Haus erreichte, das sie in einem staubig trockenen Teil des County besaß. Das Viertel war weder Teil der City noch Vorstadt, sondern bildete eine Enklave der unteren Mittelschicht, die bescheidene Sicherheit bot und etwas weniger Kummer bereitete als die Gegend kaum ein, zwei Meilen weiter. In ihrem acht Jahre alten Chevy brauchte sie für die Fahrt knapp eine Stunde.
Links und rechts von ihr hatten Nummer elf und vierzehn bereits ihren Nachtdienst angetreten. Nummer elf schickte gerade einen Löschzug zu einem Brand im zweiten Stock eines Wohngebäudes Nähe Collins Avenue, und Nummer vierzehn stellte zwischen einem State Trooper, der auf dem Julia Tuttle Causeway einen großen BMW verfolgte, und der Fahndungsstelle eine Verbindung her. Es war eine anstrengende Nacht gewesen: ein Einbruch in einem Eckladen, eine Meldung zu einer Vergewaltigung, eine Schlägerei vor einem Nachtclub. Eine Menge Arbeit, aber wohl nichts, was es am nächsten Morgen in die Zeitung schaffen würde. Nummer drei sah auf und reckte den Kopf, um nach Nummer siebzehn Ausschau zu halten.
Sie blickte immer noch um sich, als an ihrer Schalttafel das rote Licht aufblinkte. Ohne nachzudenken, drückte sie den Verbindungsknopf und sprach in antrainiertem sachlichem Ton.
»Notruf Miami Beach: Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst.«
Schon bei den ersten Worten wusste sie, dass ein alter Mensch in der Leitung war:
»Oh, mein Gott! Schicken Sie bitte sofort die Polizei! Hier ist jemand ermordet worden! Die arme Mrs. Millstein! Einen Krankenwagen! Schicken Sie Hilfe! Bitte!«
Es gehörte zu ihrem Beruf, hysterische Reaktionen ihrer Anrufer zu meistern.
»Ja, Ma’am, sofort. Nennen Sie mir die Adresse.«
»Ja, sicher, äh, das Sunshine Arms, 1290 Thirteenth Court. Bitte schnell!«
»Ma’am, welche Art von Hilfe brauchen Sie? Was ist passiert?« Nummer drei stellte ihre Fragen in vollkommen ruhigem Ton.
»Wir haben ein Geräusch gehört, Henry und ich, und er ist runter, um nachzusehen, und Mr. Finkel ist auch mitgekommen, und sie war tot! Oh, mein Gott, in was für einer Welt leben wir nur? Schicken Sie die Polizei, bitte! Jemand hat sie umgebracht. Oh, mein Gott, wo sind wir denn?«
»Bleiben Sie bitte am Apparat …« Während sie auf einen anderen Knopf drückte, sprach Nummer drei in die Leitung: »An alle Einheiten. Möglicherweise Tötungsdelikt, 1290 Thirteenth Court. Eilt! Es sind Leute am Leichenfundort. Diensthabende Einheit, bitte melden …« Sie drückte auf einen zweiten Knopf, der sie mit einem Krankenwagen verband. »Wir haben ein Tötungsdelikt, 1290 Thirteenth Court, aber es sind ältere Menschen mitbetroffen. Fahren Sie hin. Sehen Sie, ob jemand Hilfe braucht.« Dies entsprach nicht ganz den Vorschriften, doch Nummer drei war schon seit über zehn Jahren beim Notruf und wusste aus Erfahrung, dass die Aufregung und das Geräusch von Sirenen schwache Herzmuskeln ziemlich strapazieren konnten.
Nummer drei meldete sich
Weitere Kostenlose Bücher