Der Täter / Psychothriller
sowie glänzend geputzten Schuhen aus dem Rahmen fiel. Für eine Weile starrten die Kinder ihn an, dann steckten sie kurz die Köpfe zusammen und spielten schließlich weiter.
Er schüttelte den Kopf und dachte: Ganze sieben Jahre alt und schon wittern sie den Cop. Wird in zehn Jahren ein Polizist herkommen und mit gezogener Pistole nach ihnen suchen? Er ersparte sich die Antwort.
Er sah sich nach jemandem um, der die Kinder beaufsichtigte, konnte aber niemanden entdecken. Als ich in dem Alter war, hat wenigstens meine Mutter auf mich aufgepasst, dachte er. Bei der Erinnerung fühlte er sich einsam und deprimiert, und so besann er sich schnell auf den Zweck seines Ausflugs.
Ein kurzer Windstoß wirbelte nur den Staub zu seinen Füßen auf. Er setzte sich in Bewegung und steuerte den ersten Pfandleiher im Block an. Vor der Tür blieb er einen Moment stehen. Als er gerade nach der Klinke griff, hörte er, wie hinter ihm ein Wagen am Rinnstein hielt, und er drehte sich blitzschnell um.
Es war ein weißer Streifenwagen der städtischen Polizei von Miami. Die Kühlerhaube reflektierte das Sonnenlicht und blendete ihn. Eine Scheibe wurde heruntergekurbelt, und er hörte eine vertraute Stimme:
»Sollte uns tatsächlich der berühmte Detective von Miami Beach die Ehre geben und in unserem Revier herumschnüffeln?«
Walter Robinson legte schützend die Hand über die Augen und konterte prompt: »Das kommt davon, wenn ihr Schlafmützen und Nichtsnutze eure schlimmen Finger zu uns entwischen lasst, so dass sie in meiner Stadt Ärger machen.«
Vom Beifahrersitz ertönte Gelächter, und als er an den Streifenwagen herantrat, frotzelte eine andere Stimme:
»Na ja, besser bei euch als bei uns, so viel ist sicher.«
Die Tür ging auf, und ein Hüne von einem schwarzen Mann in der marineblauen Uniform der Stadtpolizei mit den Streifen eines Sergeant auf der Schulter wand sich heraus.
»Hey, Walter, Mann, was geht ab?«
»Kann nicht klagen, Lionel, kann nicht klagen.«
Zu dem Sergeant gesellte sich ein deutlich kleinerer, dünnerer Latino, der ihm ebenfalls die Hand schüttelte. »Hey, Walt, Amigo,
como está?
«
»Was redest du für ein Kauderwelsch, John?«, fragte Robinson grinsend und betonte den Vornamen des Mannes.
»Juan, wenn’s recht ist, und nicht John. Ich hoffe, das geht endlich mal in deinen Schädel, du großer alter schwarzer Gringo. Du bist kein bisschen besser als mein Partner hier. Eines Tages, du wirst schon sehen, ist es die Nationalsprache, Mann, und wir werden euch zwingen, sie zu sprechen.«
Die drei Männer lachten miteinander.
»Und, Mann, arbeitest du an einem Fall?«, fragte ihn der Sergeant. Er hieß Lionel Anderson, und Walter Robinson wusste, dass er sich auf der Straße den Titel Lion-Man erworben hatte, was er neben seiner imposanten Statur seiner kompromisslosen Haltung zu verdanken hatte. Er hatte gemeinsam mit Robinson die Akademie besucht, und dasselbe galt für Juan Rodriguez, seinen Partner.
»Kannst
du
mir irgendeinen vernünftigen Grund nennen, sich die Gegend hier anzutun?«, entgegnete Robinson.
»Vielleicht vermisst du ja das Flair, den Gemeinschaftsgeist und die Gesinnung?«
»Ich denk, es ist die Küche, Partner. Der Detective bekommt da draußen in Miami Beach kein anständiges Soul Food. Er kann die Hühnersuppe und die Matzenknödel nicht mehr riechen. Er braucht ’ne ordentliche Schweinshaxe mit Kohl.«
»Mag ja sein«, antwortete Lionel Anderson. »Schmeckt jedenfalls zehnmal besser als diese gebratenen Bananen-Dinger, die du ständig runterschlingst und mir auch noch aufs Auge drücken willst. Widerliches Zeug.«
»Kochbananen sind gut für dich. Helfen dir, ’ne Fremdsprache zu lernen und ’ne ganze Kultur zu verstehen.«
Robinson schüttelte den Kopf und wandte ein: »Was redest du da, Juan. Der Lion-Man versteht doch nicht mal seine eigene, und du verlangst von ihm, dass er noch eine lernt? Eine neue?«
»Na ja, Walt, Amigo. Das ist ein Argument …«
Die drei Männer mussten wieder lachen.
»Also«, meinte Anderson einen zweiten Anlauf. »Was treibt dich hier ins idyllische Liberty City?«
»Habt ihr was von diesem Mord mitbekommen, den wir vorgestern Nacht hatten?«
»Die kleine alte Frau?«
»Genau.«
»Haben einen Handzettel bekommen. Gestohlener Schmuck. Kam aus deinem Büro.«
»Das ist der Fall. Ich vermute, dass der Täter mit dem G-75 hin- und wieder zurückgefahren ist.«
»Du meinst, er hat den Bus genommen, um jemanden
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