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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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gedacht, Roland sei jemand namens William Franklin. Die beiden sehen sich ähnlich, Franklin und Roland. Der Kerl wohnt in Brooklyn und ist nicht zu seinem Prozess erschienen. Angeklagt wurde er wegen Angriffs mit einer tödlichen Waffe und illegalen Schusswaffenbesitzes. Die Kautionsagentur ist seit sechs Monaten hinter ihm her.«
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    »Fünf Zweiundzwanzig hat uns an der Nase herumgeführt, das weißt du. Er hat diesen Franklin im System gefunden und den Kautionsjäger auf seine Fährte gesetzt, um uns abzulenken.«
    »Ich weiß, Line.«
    »Hat jemand wenigstens irgendetwas Hilfreiches gesehen? Wurden wir beobachtet?«
    »Nein. Roland hat gerade bei allen Teams nachgefragt.«
    Schweigen. Dann fragte Rhyme: »Woher hat er von der Falle gewusst?«
    Obwohl das nicht der wichtigste Punkt war. In Wahrheit gab es momentan nur eine einzige Frage, die sie beantwortet haben wollten: »Was zum Teufel hat er wirklich vor?«
    Halten diese Leute mich für dumm?
    Haben diese Leute geglaubt, ich würde nicht misstrauisch sein?

    Diese Leute wissen doch mittlerweile selbst, was Wissensanbieter sind. Dass sie das Verhalten von Sechzehnern vorhersagen, basierend auf deren früheren Entscheidungen und den Gewohnheiten anderer Personen. Dieses Konzept ist schon seit langer, langer Zeit ein Teil meines Lebens. Das sollte jeder so halten. Wie wird Ihr Nachbar reagieren, wenn Sie X tun? Wie wird er reagieren, wenn Sie Y tun? Wie wird eine Frau sich verhalten, wenn Sie sie lachend zu einem Wagen begleiten? Wenn Sie stattdessen still sind und in der Tasche nach etwas suchen?
    Ich habe die Transaktionen dieser Leute von dem Moment an studiert, in dem sie angefangen haben, sich für mich zu interessieren. Ich habe diese Leute eingeordnet und analysiert. Bisweilen sind sie regelrecht brillant gewesen - zum Beispiel bei ihrer ersten Falle: Sie lassen die SSD-Angestel ten und -Kunden von ihren Ermittlungen wissen und warten darauf, dass ich versuche, mir die Akten zum Fall von Myra 9834
    anzusehen. Ich hätte es beinahe getan, war nur noch einen Druck auf die ENTER -Taste davon entfernt, aber dann kam mir irgendwas komisch vor. Nun weiß ich, dass ich Recht hatte.
    Und die Pressekonferenz? Oh, diese Transaktion hat von Anfang an nach einer Falle gerochen. Sie stand im Widerspruch zu
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    praktisch allen üblichen, vorhersagbaren Verhaltensmustern. Ich meine, die Polizei und das Rathaus treffen sich so spät am Abend noch mit Journalisten? Und auch die Gestalten auf dem Podium haben keineswegs überzeugend gewirkt.
    Natürlich hätte das alles trotzdem seine Richtigkeit haben können - sogar die beste Fuzzylogic und die zuverlässigsten prädiktiven Verhaltensalgorithmen liegen manchmal falsch. Aber es war in meinem Interesse, weitere Nachforschungen anzustellen. Direkt mit diesen Leuten sprechen konnte ich nicht, nicht mal beiläufig.
    Also habe ich stattdessen gemacht, was ich am besten kann.
    Ich habe durch mein geheimes Fenster die stummen Daten betrachtet, habe in die Dossiers der drei Leute geschaut, die während der Pressekonferenz vor die Kameras getreten waren: der stellvertretende Bürgermeister Ron Scott und Captain Joseph Malloy - der Mann, der die Untersuchung gegen mich beaufsichtigt.
    Und die dritte Person, der Dozent, Dr. Carl ton Soames.
    Nur dass es ihn gar nicht gab.
    Er war ein Köder, ein verkleideter Cop.
    Zwar erbrachte die Anfrage bei einer Suchmaschine sowohl Treffer auf der Seite der Carnegie Mellon University als auch einen eigenen Internetauftritt von Professor Soames. Und sein Lebenslauf fand sich praktischerweise gleich auf mehreren anderen Seiten.
    Aber ich benötigte nur wenige Sekunden, um mir diese Dokumente in der Code-Ansicht vorzunehmen und die Metadaten zu überprüfen. Alles über den falschen Professor war erst gestern geschrieben und hinaufgeladen worden.
    Halten diese Leute mich für dumm?
    Falls ich mehr Muße gehabt hätte, hätte ich die wahre Identität dieses Cops herausfinden können. Ich wäre auf die Internetseite des Fernsehsenders gegangen, hätte mir aus dem Archiv die Pressekonferenz besorgt, das Gesicht des Mannes in einem Standbild eingefroren und einen biometrischen Scan durchgeführt. Den hätte ich dann einfach mit den Daten der hiesigen Zulassungsstelle sowie den Personalfotos von Polizei und FBI abgeglichen.
    Aber das hätte viel Arbeit bedeutet und war unnötig. Es spielte 250
    keine Rolle, wer er war. Ich wollte die Polizei lediglich ablenken und mir etwas Zeit verschaffen, um

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