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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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schon so nahe war, konnte er ihr eine Schlinge um den Hals legen oder ein Messer in den Rücken stoßen, bevor sie seine Anwesenheit auch nur bemerkte.

    Und es würde vor Rhymes Augen geschehen.
    Dann endlich wandte sie sich allmählich dem Computer zu. Gleich würde sie die Nachricht sehen.
    Gut, dreh dich weiter.
    Auf dem Boden am anderen Ende des Zimmers sah Rhyme einen Schatten. Kam der Killer näher?
    Pam, die weiterhin telefonierte, rückte mit dem Stuhl an den Computer heran, doch sie sah auf die Tastatur, nicht auf den Monitor.
    Guck hoch!, drängte Rhyme stumm. Bitte! Lies die verfluchte Nachricht!
    Aber wie alle Teenager heutzutage, brauchte Pam nicht auf den Bildschirm zu sehen, um sich zu vergewissern, dass sie einen Text korrekt eingegeben hatte. Sie klemmte sich das Mobiltelefon zwischen Wange und Schulter, schaute kurz auf die Tastatur und tippte flink etwas ein.
    »muss los. tschüs mr. Rhyme. bis bald:-)«
    Das Webcam-Fenster wurde schwarz.
    Amelia Sachs fühlte sich nicht wohl in ihrem Tyvek-Overall mit der Kapuze und den Füßlingen. Sie kam sich eingeengt vor, und der bittere Geruch in dem Lagerhaus - eine Mischung aus feuchtem Papier, Blut und Schweiß - verursachte ihr Übelkeit.
    Sie hatte Captain Joseph Malloy nicht gut gekannt. Aber er war, wie Lon Sellitto gesagt hatte, »einer von uns«. Und sie war ent
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    setzt darüber, was 522 ihm angetan hatte, um an die gewünschten Informationen zu kommen. Die Untersuchung des Tatorts war nahezu abgeschlossen. Sachs trug die Beweismitteltüten zum Wagen und war unendlich dankbar für die halbwegs frische Luft, obwohl es hier draußen nach Dieselabgasen stank.
    Sie musste an ihren Vater denken. Als kleines Mädchen hatte sie mal in das Schlafzimmer ihrer Eltern geschaut und ihn dort in seiner Galauniform sitzen gesehen, wie er sich Tränen aus den Augen wischte. Das hatte sie erschüttert; sie hatte noch nie erlebt, dass er weinte. Er hatte sie zu sich gewinkt. Herman Sachs war seiner Tochter gegenüber immer aufrichtig gewesen, und so hatte er sie neben dem Bett auf einem Stuhl Platz nehmen lassen und erklärt, ein Freund von ihm, ein anderer Polizist, sei bei der Vereitelung eines Raubüberfalls erschossen worden.
    »Amie, in diesem Beruf gehört jeder zur Familie. Du verbringst mit deinen Kollegen wahrscheinlich mehr Zeit als mit deiner Frau und deinen Kindern. Immer wenn jemand in Uniform ums Leben kommt, stirbt auch ein kleines Stück von dir. Es spielt keine Rolle, ob einfacher Streifenbeamter oder hohes Tier, sie stehen dir alle nah, und es tut gleich weh, einen von ihnen zu verlieren.«
    Und nun spürte sie den Schmerz, von dem er geredet hatte. Spürte ihn bis ins Mark.
    »Ich bin fertig«, sagte sie zu dem Team der Spurensicherung, das neben seinem Einsatzfahrzeug stand. Amelia hatte den Tatort allein untersucht, aber die Kollegen aus Queens hatten Fotos und Videoaufzeichnungen angefertigt und sich die sekundären Schauplätze vorgenommen - die möglichen An- und Abfahrtswege.

    Dann nickte Sachs der diensthabenden Gerichtsmedizinerin und deren Mitarbeitern zu. »Okay, Sie können ihn ins Leichenschauhaus bringen.«
    Die Männer mit den dicken grünen Handschuhen und Overalls gingen hinein. Sachs verstaute die Beweismitteltüten in einer Kiste, um sie zu Rhyme bringen zu lassen.
    Dann hielt sie plötzlich inne.
    Jemand beobachtete sie.
    Aus einer leeren Gasse hatte sie Metall auf Metall schlagen gehört - oder auf Beton oder Glas. Ein schneller Blick. Sie hatte den
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    Eindruck, da versteckte sich jemand neben der schon vor Jahren eingestürzten Laderampe einer ehemaligen Fabrik.
    Lass dir keine Einzelheit entgehen, aber pass auf dich auf. .
    Sie erinnerte sich an den Friedhof, an den Killer mit der gestohlenen Polizeimütze, wie er ihr seelenruhig zusah. Die Verunsicherung von dort kehrte ebenfalls zurück. Sachs ließ die Beweismitteltüten liegen und ging mit der Hand an der Waffe die Gasse entlang. Sie sah niemanden.
    Paranoia.
    »Detective?«, rief einer der Techniker.
    Sie ging weiter. War da ein Gesicht hinter diesem dreckigen Fenster?
    »Detective?«, ließ er nicht locker.
    »Ich komme gleich.« Sie klang ein wenig verärgert.
    »Tut mir leid«, sagte der Mann. »Ich habe hier Detective Rhyme in der Leitung.«
    Sie schaltete vor der Untersuchung eines Tatorts stets ihr Telefon aus, um nicht abgelenkt zu werden.
    »Sagen Sie ihm, ich rufe gleich zurück.«
    »Detective, er sagt, es geht um jemanden namens Pam. Bei Ihnen zu Hause

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