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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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    Rhyme, der sich wie ein Vorgesetzter und Vater zugleich vorkam, wusste, dass der Junge früher oder später seinen ersten eigenen Mordschauplatz würde untersuchen müssen. »Also gut«, murrte er. »Hoffentlich zahlt diese Haftnotizspur sich aus.« Er konnte sich nicht verkneifen hinzuzufügen: »Und ist keine völlige Zeitverschwendung.«
    Sie lachte. »Hoffen wir das nicht immer, Rhyme?«
    »Und sag Pulaski, er soll es nicht vermasseln.«
    Sie beendeten das Gespräch, und Rhyme teilte Cooper mit, die Beweismittel seien unterwegs.
    Dann fiel sein Blick auf die Wandtafeln. »Der Kerl ist entwischt«, murmelte er.
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    Und er wies Thom an, die armselige Beschreibung von 522 in das Profil einzutragen.
    Vermutlich ein Weißer, zumindest aber hel häutig.. Wie unglaublich hilfreich.
    Amelia Sachs saß bei offener Tür auf dem Fahrersitz ihres Camaro. Die nachmittägliche Frühlingsluft wehte herein und vermischte sich mit dem Geruch nach altem Leder und Öl. Sachs machte sich Notizen für ihren Tatortbericht. Das tat sie immer so bald wie möglich nach der Untersuchung des jeweiligen Schauplatzes. Es war erstaunlich, wie schnell dein Gedächtnis dir einen Streich spielen konnte. Farben änderten sich, aus links wurde rechts, Türen und Fenster wanderten von einer Wand zu einer anderen oder verschwanden sogar ganz.
    Sie hielt inne und grübelte ein weiteres Mal über die merkwürdigen Einzelheiten des Falls nach. Wie war es dem Killer nur gelungen, die entsetzliche Vergewaltigung und den Mord beinahe einem Unschuldigen anzuhängen? Einen Täter wie diesen hatte sie noch nie erlebt. Dass jemand Spuren fälschte, um die Polizei in die Irre zu führen, kam des Öfteren vor, aber 522 war ein wahrer Meister auf diesem Gebiet.
    Die Straße, in der Sachs parkte, lag zwei Blocks von der untersuchten Mülltonne entfernt, war schattig und menschenleer.
    Sie registrierte irgendeine Bewegung. Der Gedanke an 522 ließ sie unbehaglich aufblicken. Im Rückspiegel sah sie jemanden auf sich zukommen. Sie kniff die Augen zusammen und schaute genauer hin, aber der Kerl schien harmlos zu sein. Er wirkte wie ein Geschäftsmann, trug in einer Hand die Tüte eines Imbisses und führte gerade lächelnd ein Telefonat. Ein typischer Anwohner dieser Gegend, der sich ein chinesisches oder mexikanisches Abendessen geholt hatte.
    Sachs widmete sich wieder ihren Notizen.
    Schließlich war sie fertig und verstaute die Unterlagen in ihrer Aktentasche. Doch dann kam ihr etwas seltsam vor. Der Mann auf dem Bürgersteig hätte längst an dem Camaro vorbeigegangen sein müssen. Aber das war er nicht. War er in eines der Häuser abgebogen? Sie sah über die Schulter.
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    Nein!
    Dort links hinter dem Wagen stand die Imbisstüte auf dem Gehweg. Das war bloß ein Requisit!

    Sie griff nach ihrer Glock. Aber noch bevor sie die Waffe ziehen konnte, wurde die Beifahrertür aufgerissen, und Sachs starrte in das Gesicht des Killers, der mit eisigem Blick eine Pistole auf ihren Kopf richtete.
    Es klingelte an der Tür, und gleich darauf hörte Rhyme schwere Schritte, die ihm ebenfalls sehr vertraut waren. »Komm rein, Lon.«
    Detective Lon Sellitto nickte ihm grüßend zu. Sein stämmiger Leib steckte in Jeans, einem dunklen, lilafarbenen Hemd Marke Izod und Joggingschuhen, was Rhyme überraschte. Der Kriminalist sah ihn fast nie in legerer Kleidung. Und noch etwas anderes gab ihm zu denken: Sellitto schien keinen einzigen Anzug zu besitzen, der nicht heftig zerknittert war, aber die Sachen, die er jetzt trug, wirkten wie frisch gebügelt. Nur an zwei Stellen war der Stoff ausgebeult: über dem stattlichen Bauch und am Rücken, wo Sellittos Privatwaffe nicht sonderlich gut versteckt war.
    »Er ist abgehauen, hab ich gehört.«
    »Er hat sich in Luft aufgelöst«, bestätigte Rhyme verärgert.
    Der massige Detective ging zu den Tafeln und überflog die Tabellen. Unter seinem Gewicht ächzten die Bodendielen. »So nennt ihr ihn? Fünf Zweiundzwanzig?«
    »Nach dem heutigen Datum. Was ist aus dem Russenfall geworden?«
    Sellitto antwortete nicht. »Hat Mr. Fünf Zweiundzwanzig etwas zurückgelassen?«
    »Das werden wir bald herausfinden. Er hat eine Tüte mit Beweisen weggeworfen, die er ursprünglich jemandem unterschieben wollte. Das Material ist hierher unterwegs.«
    »Das war aber nett von ihm.«
    »Einen Eistee oder Kaffee?«
    »Ja.« Der Detective sah Thom an. »Einen Kaffee, vielen Dank. Habt ihr entrahmte Milch?« »Zwei Prozent.«
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    »Gut. Und

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