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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Halperin
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bestünde ich nur aus diesem endlosen Heulen.
    »Das war wirklich gut, Al«, sagte das Narbengesicht. »Gut und laut und alles. Das Problem ist nur, dass dich hier keiner hören kann. Also solltest du deiner Lunge vielleicht einen Gefallen tun und ihr die Schreierei ersparen. Weißt du, was ich meine?«
    »An deiner Stelle würde ich auch nicht so rumruckeln«, sagte Corky. »Du wirst nur mit deinem Augapfel an meine Nadel stoßen. Du solltest lieber stillhalten. Genau so. Braver Junge, Al. Diesmal war ich echt nah dran.«
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte ich. Es war fast ein Flüstern; ich konnte nicht lauter sprechen. Ich wagte nur, ganz flach zu atmen.
    »Wir wollen nur mit dir reden«, sagte das Narbengesicht.
    »Scheiße«, sagte der mit den Hasenzähnen. »Worüber sollen wir mit dem denn reden?«
    »Halt die Klappe!«, fuhr das Narbengesicht ihn an. »Wir haben reichlich, worüber wir reden können, Al. Drogen, zum Beispiel. Wie denkst du über Drogen?«
    »Drogen?«
    »Drogen. Wie Heroin. Wie Marihuana. Hast du noch nie was von Drogen gehört? Liest du denn keine Zeitung?«
    Corky ließ mein Augenlid los. Ich fing wieder an zu atmen. Ich konnte nicht aufhören zu zwinkern.
    »Ich denke …« Bis zu diesem Moment hatte ich eigentlich überhaupt nichts gedacht, weder an Heroin noch an Marihuana. Die Leute in den Slums rauchten oder spritzten es oder sonst was. Damit hatte ich nichts zu tun. »Ich denke, Drogen sind ein schlimmes Problem in diesem Land«, sagte ich.
    »Das stimmt. Und schlimme Probleme machen drastische Maßnahmen nötig. Hab ich recht?«
    »Nun, ich weiß nicht, was wir dagegen unternehmen sollten …«
    Mein rechtes Augenlid wurde hochgezogen. Wieder sah ich die Nadel schimmern. Ich stöhnte leise.
    »Machen sie etwa keine drastischen Maßnahmen nötig?«
    Ich spürte, dass die Nadelspitze meinen Augenwinkel berührte, wo das Innere des Lids mit dem empfindlichen Augapfel
zusammentraf. Ich schrie auf. Verzweifelt versuchte ich zurückzuweichen. »Ooh«, sagte Corky. »Da bin ich ein bisschen nah rangekommen, was?«
    »Oder etwa nicht, Al?«
    »Doch«, jammerte ich. »Sie machen drastische Maßnahmen nötig.«
    »Und was meinst du, wie die Drogen in dieses Land kommen, Al?«
    »In dieses …?«
    »Sie kommen aus dem Ausland. Das wusstest du.«
    »Wusste ich nicht«, sagte ich.
    »Doch, bestimmt, Al.«
    Er fing an, vor mir auf und ab zu laufen, während er sprach. »Es geht folgendermaßen vor sich: Die Mexikaner schmuggeln Heroin über die Grenze, sagen wir, nach Texas oder nach New Mexico. Von denen bekommt es deine Schwester oder wer oder was sie sein mag. Dann tut sie es in einen Koffer, gibt diesen bei einer Fluglinie auf und verpasst irgendwie dummerweise ihren Flug. Dann holst du den Koffer in Miami ab und hast Heroin im Wert von einer Million Dollar in der Hand. Bereit, an die Dealer verkauft zu werden, die ganze Ostküste rauf und runter.«
    »Nein«, sagte ich.
    »Oh, doch, Al. Du weißt es so gut wie ich. Gleich werden wir diesen Koffer aufmachen und Heroin finden. Und weißt du, was dann mit dir passiert?«
    »Nein, nein, neeeiiin .«
    »Und ich sage dir: ja, ja, jaaa. Wir werden dieses Heroin finden. Und dann ist der Rest deines Lebens durchgeplant. Ist mir völlig egal, mit wie vielen jüdischen Rechtsverdrehern du verschwägert bist, die holen dich da nie wieder raus. Jetzt haben wir dich, für immer.«

    »Guck dir an, wie er schwitzt«, sagte der mit den Hasenzähnen.
    »In dem Koffer ist kein Heroin«, sagte ich.
    Doch tief in meinem Inneren wusste ich es besser. Mit ihren fünfzehn Jahren war Rochelle schon eine erfahrene Einbrecherin. Julian hatte es mir selbst erzählt. Wieso sollte sie es nicht auch mal mit Drogenschmuggel versuchen?
    »Er ist abgeschlossen«, sagte das Narbengesicht. »Gib mir mal den Schraubenzieher.«
    Verschwommen sah ich seine Umrisse, die sich über den Koffer beugten. Ich hörte, wie die Schnallen aufklappten. Verbitterung brannte tief unten in meinem Magen. Fünfzehn Jahre alt, und Gott weiß, wie viele Jungen sie schon verführt hatte, in wie viele Häuser sie schon eingebrochen war. Wie viele kranke, vertrauensselige Großmütter sie betrogen haben mochte …
    »Was habe ich euch gesagt?«, rief das Narbengesicht.
    Und jetzt Drogen, sie dealt mit Drogen, und jetzt ist mein Leben zu Ende …
    »Hier im Futter! Da ist das Zeug. Man kann es fühlen, eingenäht im Futter.«
    »Der älteste Trick der Welt«, sagte der mit den Hasenzähnen.

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