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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Halperin
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zu zittern und konnte nicht mehr aufhören.
    »Warte mal eben«, sagte sie. »Ich hol dir eine Decke.«
    Schon im nächsten Augenblick kam sie mit einer dicken Wolldecke wieder und legte sie mir um die Schultern. »Warum
ist es so kalt?«, sagte ich, sobald meine Zähne nicht mehr klapperten. »Ist denn jetzt nicht Sommer?«
    »Doch, ist es. Aber in Jerusalem kann es selbst im Sommer nachts kalt sein. Schließlich sind wir hier in den Bergen.«
    »Um Jerusalem her sind Berge«, sagte ich, »und der Herr ist um sein Volk her, von nun an bis in Ewigkeit.«
    »Danny!« Sie lachte. »Du liest inzwischen die Bibel?«
    »Seit drei Jahren«, antwortete ich.
    Sie stand ganz nah bei mir.
    »Deshalb bin ich hier«, sagte ich.
    Ich zog die Decke mit beiden Händen fest um mich. Noch immer zitterte ich ein wenig.
    »Möchtest du jetzt deine Tochter sehen?«, fragte sie.
     
    Das Baby lag in seiner Wiege und atmete geräuschvoll im Schlaf. Über ihm hing ein feines Netz an einem Haken von der Decke. Die Ränder reichten bis auf den Boden und umschlossen die Wiege von allen Seiten.
    Rochelle hatte vom Tisch im Flur eine Taschenlampe mitgenommen. »Das Zimmer hat auch ein Deckenlicht«, raunte sie mir zu. »Aber ich möchte es nicht anmachen. Wir wecken sie nur auf, und dann dauert es wieder ewig, bis sie einschläft. Sie schläft einfach nicht, fast nie.«
    »Mein Gott«, sagte ich. Ich konnte meinen Blick nicht von dem Kind abwenden. »Es war real.«
    Rochelle nickte. Ich glaube, sie wusste, was ich meinte. Es hatte tatsächlich eine Samung gegeben, in diesem Totenland unter dem Mond, das sich inzwischen, da ich es wieder verlassen hatte, wie ein ferner Albtraum anfühlte. Und doch war da dieses kleine Wesen. Ein Kind aus jenem Land – meine Tochter –, das Kreuz, das ich zu tragen habe. Ob ich sie liebte, konnte ich nicht sagen.

    »Bestimmt hält sie dich die halbe Nacht wach«, sagte ich.
    »Nein, nein. Nicht sie hält mich wach.« Eine ungeheure Müdigkeit und Trauer lagen in Rochelles Stimme, und ich erinnerte mich daran, was sie über ihre Träume gesagt hatte. »Sie weint nicht. Sie liegt nur da, mit offenen Augen, und starrt die Decke an. Oder irgendetwas anderes. Ich weiß nicht, was.«
    Ich hob das leichte Netz ein wenig an. »Moskitonetz?«, fragte ich.
    »Ja. Das braucht man hier, für die Babys. Ohne könnten sie überhaupt nicht schlafen.«
    Das silbrige Netz reflektierte das Licht der Taschenlampe, was es schwierig machte, einen Blick dahinter zu werfen. Ich ahnte eine kleine Gestalt mit spindeldürren Ärmchen und Beinchen, gewölbtem Bauch und einem riesigen Schädel, spärlich besetzt mit feinem, seidigem Haar. Ihre Ohren waren winzig. Ihre Augen, die ich am dringendsten sehen wollte, waren geschlossen. Hinter ihren Lidern wirkten sie enorm groß.
    Schweigend standen wir ein paar Minuten da und lauschten dem lauten, angestrengten Atmen aus der Wiege. »Wird sie überleben?«, fragte ich.
    »Wir sind nicht sicher. Dr. Talibi meint, sie hätte eine Chance. Wenn auch keine große. Er sagt, ihr Leben hängt an einem seidenen Faden.«
    Ein Faden. Kaum gesponnen. Schon zum Reißen gespannt.
    »Dr. Talibi?«, fragte ich.
    »Stimmt. Das hatte ich vergessen. Du kennst Dr. Talibi nicht. Er war hier drüben unser Hausarzt, damals, vor Jahren. Er hat seine Praxis in der Salah-ed-Din-Straße. Wir gehen morgen zu ihm, wir beide.«
    Sie knipste die Taschenlampe aus, als sie das sagte. Wir standen im Dunkeln. Ich blickte in den Schatten inmitten der
Schatten, in denen meine Tochter lag, und lauschte, wie ihre winzige Lunge um Luft rang.
    »Das Atmen«, sagte ich. »Wieso fällt es ihr so schwer? Dieser Dr. Talibi … hat er eine Ahnung?«
    »Nein. Aber ich vielleicht. Ich glaube, es liegt an der … der Atmosphäre. Ihre muss gehaltvoller sein als unsere. An Sauerstoff. Vielleicht nicht viel, aber doch genug, dass der Unterschied spürbar ist. Ich glaube, ihre Lunge ist nicht dafür gemacht, in unserer Luft zu funktionieren. Und sie hat eine Lunge wie ihre Mama, die arme Kleine.«
    Eine weitere Möglichkeit kam mir in den Sinn. Geboren aus Samen, in Schmerz und Angst hervorgebracht, durch eine Kanüle in eine Flasche abgefüllt – wie sollte sie da nicht kränklich und deformiert sein? Doch dann wäre alles meine Schuld, und das wollte ich nicht glauben.
    »Aber hat denn dieser Talibi nichts gemerkt? Dass … dass …«
    »Dass sie anders ist? Nicht wirklich menschlich? Ja, natürlich hat er es gemerkt. Er ist ja

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