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Der Tag an dem die Sonne verschwand

Titel: Der Tag an dem die Sonne verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Domian
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Bewegungen und auch ihre Sprüche, nachdem Marie ins Bett gegangen war.
    Mein Gott. Marie lag etwa vier Meter entfernt in ihrem Zimmer und schlief. Lediglich eine Wand und eine Tür trennten uns.
    An jenem Heiligen Abend, gegen fünf Uhr morgens, beging ich die erste unfassbare Niedertracht an meiner geliebten Marie. Wie ein Besessener trieb ich es mit Alicia. Die so sehr vor Lust stöhnte und lautstark röchelte, dass ich ihr immer wieder den Mund zuhalten musste. Wir trieben es in Maries Wohnzimmer, auf ihrer Couch.
    Danach tranken wir noch einen Wodka. Ich sagte zu Alicia: »Du bist ein geiles Stück.« Sie lächelte. Und ging. Ich hörte den Schnee an die Fensterscheiben schlagen und legte mich zu Marie ins Bett, kuschelte mich an sie. Vergib mir, Julchen. Vergib mir! Mein Julchen!

4. EINTRAG
    Der schwarze Himmel hat sich in östlicher Richtung rötlich verfärbt. Schon seit Stunden wabert dort ein dunkel-orangerotes Licht am Horizont. Ich kann es von meinem Fenster aus gut sehen, es schneit heute nur wenig. Zu hören ist allerdings nichts. Es herrscht nach wie vor vollkommene Stille. Da diese Himmelsveränderung die erste Veränderung der äußeren Umstände überhaupt ist seit dem 17. Juli, dem Tag der Katastrophe, war ich vorhin zunächst in Aufruhr, hatte Angst vor neuen dramatischen Ereignissen, hoffte aber gleichzeitig auf eine Verbesserung meiner Lage. Vielleicht stecken Menschen dahinter, dachte ich, oder vielleicht sind es Anzeichen der wiederkehrenden Sonne.
    Nach längerem Beobachten nun aber bin ich sicher, dass die Ursache des rötlichen Lichtes im Osten ein riesiger Brand ist. Denn genau in dieser Himmelsrichtung befindet sich etwa zwanzig Kilometer von der Stadt entfernt ein Chemiewerk. Es scheint zu brennen. Lichterloh.
    Überhaupt wundere ich mich schon seit langem, dass es nicht zu größeren Unglücken kommt. Auch hier in der Stadt. Zu Bränden oder Explosionen. Alles ist ja ohne Kontrolle. Gasleitungen oder Wasserrohre könnten bersten, Tankstellen in die Luft fliegen, Stromkabel durchschmoren, oder nicht ausgeschaltete Herde in Großküchen, Restaurants und Privatwohnungen könnten verheerende Feuer auslösen. Aber nichts dergleichen geschieht in meiner unmittelbaren Umgebung. Zumindest habe ich nichts davon bemerkt.
    Und was geht wohl in den zahlreichen Industriebetrieben vor, die am Stadtrand angesiedelt sind? So viele Maschinen, Generatoren, Turbinen, Motoren und Anlagen sind ohne menschliche Aufsicht. Oder was ist mit den Flugzeugen, die zum Zeitpunkt der Katastrophe in der Luft waren? Sie müssen abgestürzt sein. Ich aber habe nichts gesehen, nichts gehört. Was passiert in den Atomkraftwerken? Stellen die Reaktoren ohne menschliche Aufsicht automatisch ihre Aktivitäten ein? Oder droht eine weltumspannende atomare Verseuchung? Niemand auf der Erde hat doch für einen solchen Fall, wie er jetzt eingetreten ist, Vorsorge getroffen. Gott, wer weiß, was zurzeit auf der Welt geschieht – oder schon geschehen ist.
     
    Und um mich herum erstirbt alles immer mehr. In aller Stille. Vor drei Tagen sind sämtliche Straßenlaternen, die ich von meiner Wohnung aus sehen kann, ausgefallen. Und nur noch in meinem Haus und in einem schräg gegenüberliegenden Bürogebäude fließt der Strom (einige Fenster dort sind, wie seit Anbeginn des Unglücks, erleuchtet). Sonst ist alles dunkel, in welche Richtung ich auch blicke.
    Wie wichtig mir die Elektrizität ist! Sie bringt nicht nur Licht, sondern sie ermöglicht mir auch Musik zu hören. Das ginge zwar ebenso mittels Batterien und kleiner Abspielgeräte, aber das Hörerlebnis über meine große Anlage ist einfach gewaltig. Und die Musik vermag es, mich manchmal fortzutragen, für eine gewisse Zeit. Ich vergesse dann die Einsamkeit und gleite in eine andere, tröstliche Realität. Wobei ich nie Unterhaltungsmusik höre, sondern ausschließlich Klassik und Jazz. Videofilme will ich mir nicht mehr anschauen. Denn Menschen und überhaupt Lebendiges zu sehen, macht mich so schwermütig. Es graut mir vor der vollkommenen Dunkelheit. Wahrscheinlich ist es nur noch eine Frage von Tagen, bis auch bei mir die Stromversorgung zusammenbricht. Aber ich habe ja genügend Kerzen, Taschen- und Petroleumlampen.
     
    Meine wachen Stunden vergehen nun schon seit geraumer Zeit im selben Rhythmus, haben eine feste Struktur. Merkwürdigerweise kann ich immer lange und gut schlafen. Obwohl permanent Angst durch meine Seele zieht, Nebelwänden gleich, und ich mich kaum

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