Der Tag, an dem du stirbst
Durchsuchungsbeschluss für ihre Wohnung anfordern? Beweise werden sich mit Sicherheit irgendwann finden lassen, aber bevor wir ihr Handschellen anlegen können, ist sie in Kanada.»
D.D. seufzte. Sie schaute auf O, dann auf Neil und wandte sich schließlich an Phil. «Mit deinen Kindern alles im Lot?»
Der vierfache Vater nickte. Er hatte in der vergangenen Nacht geschlafen und war somit die einzige ausgeruhte Person in der Runde. D.D. nahm noch einen kräftigen Schluck Kaffee und kam zur Sache.
«Neil», sagte sie, «wann erzählst du uns endlich, dass mit Ben Schluss ist?» Ben war Rechtsmediziner, den Neil vergangene Nacht getroffen haben musste, da er den Transport des jüngsten Mordopfers in die Pathologie begleitet hatte.
«Das geht euch nichts an», brummte der rothaarige Kollege.
«Oh doch. Das Tintenfässchen, in das du deine Feder tunkst, steht zwar nicht in der eigenen Firma, aber doch gewissermaßen in einem Schwesterunternehmen. Wir arbeiten mit der Rechtsmedizin eng zusammen. Das Ende eurer Beziehung könnte für uns alle Konsequenzen haben, und das weißt du. Also, raus damit. Was ist passiert?»
«Wir haben uns getrennt.»
Phil verdrehte die Augen. «Gütiger Himmel …»
«Er sagt, ich sei zu jung», platzte es aus Neil heraus. «Ich wäre noch grün hinter den Ohren und müsste mir erst … die Hörner abstoßen und so weiter.»
«Ein Mann werden?», tippte D.D.
«Leck mich!»
«Das würde dein Problem nicht lösen. Du bist jung, du bist noch grün hinter den Ohren. Du bist allerdings auch ein vielversprechender Detective, der sich allerdings noch zu oft hinter seinen Partnern versteckt. Willst du erwachsen werden?»
«Vielleicht.»
D.D. musterte ihn eindringlich.
Er richtete sich auf. «Ja.»
«Dann melde dich endlich an der Polizeiakademie an. Da kannst du einiges lernen. Es wird dir wahrscheinlich sogar gefallen, schließlich bist du ein cleverer Kerl.»
«Wann?»
«Erkundige dich. Aber tu’s, bevor wir uns hier gezwungen sehen, dir einen Tritt in den Arsch zu verpassen.»
«Wird Horgan das abnicken?»
Cal Horgan war der stellvertretende Departmentleiter des Morddezernats. Er würde Neil für einen Lehrgang an der Akademie vorschlagen und das Geld dafür lockermachen müssen.
«Sprich mit ihm», schlug D.D. vor.
Neil spitzte seine Lippen und tippte ein paar Mal mit der Hand auf den Tisch. «Okay.»
Jetzt war es D.D., die die Augen verdrehte. «Na bitte. Du könntest mit deinem Aufbaustudium gleich beginnen und mit Phil losziehen, um der Familie des Opfers ein paar Fragen zu stellen.»
Die Identität des sechzehnjährigen Opfers/Kinderschänders war inzwischen festgestellt worden. Barry Epsom. Geboren in Back Bay. Kind reicher Eltern, eines von vier Geschwistern. Der Vater war ein hohes Tier bei Hancock Insurance, die Mutter eine bekannte Kunstmäzenin. Barry hatte eine Privatschule besucht, sich zwar nicht gerade als guter Schüler hervorgetan, war aber auch nicht unangenehm aufgefallen. Interessanterweise stand er in dem Ruf, ein Ass am Computer zu sein.
Die Familie hatte sich bereits an einen Anwalt gewandt. Sie trauerte und wies alle Schuld von sich. Die bevorstehende Vernehmung würde sich zu einer dramatischen Affäre in die Länge ziehen und wahrscheinlich keine verwertbaren Informationen zutage fördern. Sollten sich Anfänger die Zähne daran ausbeißen.
«Versucht es mit Einfühlung», riet sie vor allem Neil, denn Phil kannte sein Geschäft. «Vermeidet es, den Sohn schlechtzumachen, aber versucht, an sein elektronisches Spielzeug heranzukommen.» Sie richtete den Blick auf Phil, den Computerexperten ihres Teams. «Sein Smartphone haben wir schon am Tatort sichergestellt. Aber da wären noch Computer, iPad, iPod, Spielekonsolen – man kann sich ja nur wundern, wo diese Perversen heutzutage ihre elektronischen Daten verstecken. Der Durchsuchungsbeschluss ist umfassend, und ich will, dass ihr ihn gründlich umsetzt. Ich hoffe, unsere Kriminaltechnik wird feststellen können, wo sich Barry online herumgetrieben hat, und vor allem, wie unsere Täterin ihm auf die Schliche gekommen ist.»
«Er war erst sechzehn. Das heißt, als Sexualstraftäter wird er noch nicht registriert gewesen sein», meinte Neil.
«Ja, gegen ihn liegt nichts vor», bestätigte D.D. «Nicht einmal eine versiegelte Jugendamtsakte.»
«Woher wusste die Täterin dann …»
«Charlene Grant hatte bereits Notrufe seiner Opfer entgegengenommen», fiel ihm Detective O ins Wort. «Auch das
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