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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Ich war bereit zu sterben, gleichzeitig aber bestens darauf vorbereitet, um mein Leben zu kämpfen.
    «Sind Sie sicher, dass es Abigail auf Ihre Tante abgesehen hat?», fragte Tom. «Denn, wie gesagt, zwei Opfer ergeben noch keine logische Reihe. Wenn diese Polizistin tatsächlich Ihre verschollene Schwester ist, die sich rächen will, könnte sie auch hinter Ihnen her sein.»
    «Wenn es ihr darum ginge, mich zu töten, hätte sie schon früher Gelegenheit dazu gehabt. Sie braucht nur an meine Tür zu klopfen und mir ihren Namen zu nennen. Ich würde sie hereinlassen, Tom. Ich würde vor ihr stehen und zulassen, dass mir meine kleine Schwester die Hände um den Hals legt und zudrückt. Aber das hat sie nicht getan. Stattdessen hat sie sich an meinen Freundinnen vergriffen. Sie will mich nicht töten; sie will, dass ich leide. Vielleicht so, wie sie gelitten hat.»
    «Und deshalb hängt sie Ihnen ihre Morde an? Sie tötet Ihre Freundinnen, dann auch noch Ihre Tante und sorgt schließlich dafür, dass Sie ins Gefängnis wandern?»
    Ich zuckte mit den Achseln und hoffte, einen lockeren Eindruck zu machen. «Ich glaube, sie schwärzt mich an, um Zeit zu gewinnen. Solange ich isoliert und in der Defensive bin, hat sie es leichter, meine Tante zu stellen.»
    «Na schön», sagte Tom entschieden. «Wo hält sich Ihre Tante auf? Wir machen uns sofort auf den Weg.»
    «Das lassen wir besser bleiben.»
    «Ich könnte Unterstützung anfordern. Unter irgendeinem Vorwand. Raubüberfall, Feuer. Wir schlagen Alarm, und in fünf Minuten wimmelt es von Polizisten, die auf Sie aufpassen.»
    «Das lassen wir besser bleiben.»
    Er nahm seine Schlüssel und beachtete mich nicht weiter, wie ich es erwartet hatte.
    «Ich habe eine Überraschung für Sie», sagte er.
    «Ich auch», sagte ich. Mit zwei Schritten und einer halben Drehung war ich bei ihm und verpasste meinem Retter mit der Linken drei Schläge auf die Nase. Toms Hände blieben unten. Keine Zeit für Gegenwehr.
    In meine Rechte legte ich alle Kraft aus der Schulter. Meine Faust, in der das zusätzliche Gewicht der eingewickelten Batterien steckte, traf ihn mit voller Wucht ins Gesicht.
    Zuerst sackte er in den Knien ein, dann schwankte sein Oberkörper und kippte seitlich weg. Die Schulter landete krachend auf einem der Küchenschränke. Ich hielt die Luft an und drückte unwillkürlich die Augen zu, besann mich dann aber eines anderen.
    Wenn du den Mann niederschlägst, der noch vor drei Stunden dein Liebhaber hätte sein können und der einzige Beschützer ist, den du noch hast, solltest du verdammt noch mal die Augen offen halten und sehen, was dein Schlag anrichtet.
    Er ging zu Boden. Ich schüttelte beide Hände aus, die höllisch weh taten. Aber das ist Sinn und Zweck zähen Trainings – man ist vorbereitet auf den Schmerz und hält ihn aus.
    Ich hatte nicht mehr viel Zeit.
    Es ging auf den Abend zu. 21. Januar.
    Ich streckte Tom auf den Dielen aus, prüfte seinen Puls und fand ein Kissen, das ich ihm unter den Kopf schob. Dann zog ich meine Jacke aus und schlüpfte in einen gefütterten Tarnparka von L.L. Bean aus seinem Kleiderschrank. Ich wickelte mir seinen braunen Schal um den Hals und registrierte den Duft seiner Seife und seines Rasierwassers. Die Strickmütze, die ich mir tief in die Stirn zog, war ebenfalls braun. Schließlich prüfte ich noch den Inhalt meiner Taschen.
    Irgendwann muss jeder sterben. Sei tapfer.
    Ich drückte Tom einen Kuss auf die Stirn. Zärtlich, liebevoll, reumütig.
    Tom hätte mir gewiss geholfen. Doch das hätte auch Detective Warren. Ich wollte mir nicht helfen lassen. Schon in dem Moment, als D.D. mir gesagt hatte, dass meine kleine Schwester lebte und hinter mir her sei, war mir klar gewesen, was ich zu tun hatte. In den nächsten Stunden ging es darum, sehr persönliche Dinge zu regeln.
    Eine Familienangelegenheit.
    Eilig kritzelte ich eine Entschuldigung auf Papier, nahm Toms Schlüssel und verließ die Wohnung.
    Auf dem schlecht beleuchteten Parkplatz erlebte ich einen neuen Schock. Ich hörte ein leises Winseln, das lauter wurde, als ich mich Toms Streifenwagen näherte. Auf dem Beifahrersitz hockte Tulip, die mir durch die Windschutzscheibe entgegenblickte.
    Tom hatte mir eine Überraschung in Aussicht gestellt. Meinen Hund. Er hatte in der Stadt nach Tulip gesucht, um uns wieder zusammenzubringen.
    Möglich, dass meine Augen ein wenig feucht wurden, als ich mit der Fernbedienung den Wagen entriegelte. Ich öffnete die

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